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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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Borrowed and Blue

Lisa Bassenge

Herzog Records/Soulfood 901076HER
(43 Min.)

„Going Home“ hieß das erste Album von Lisa Bassenge, auf dem sie gemeinsam mit dem Pianisten Andreas Schmidt und dem Bassisten Paul Kleber aus eigentlich eher fragwürdigen Popnummern wie Madonnas „Like A Virgin“ ergreifende Jazzminiaturen machte. Danach probierte sie einiges erfolgreich aus – sie machte lässigen Elektropop mit ihrer Band Micatone, sang auch mal auf Deutsch oder arbeitete sich mit der Produzentenlegende Larry Klein an Liedern aus dem kalifornischen Laurel Canyon ab.
Nun, 18 Jahre nach ihrem erstaunlichen Debüt, ist Bassenge wieder an ihrem Ausgangspunkt angelangt. Jazzferne Stücke. Heruntergedimmtes Licht. Minimalistische Besetzung mit Klavier und Bass als einzige Komplizen. Im Verbund mit dem schwedischen Pianisten Jacob Karlzon und ihrem Ehemann, dem dänischen Kontrabassisten Andreas Lang, zeigt die Sängerin: Aus der Berliner Göre von „Going Home“ ist eine Frau geworden, die zu Hause angekommen ist. Und sich mutig allen Facetten des Lebens stellt, die in der Materialauswahl von Gershwin bis Paul Simon, von Albert King bis Bill Withers verborgen sind.
Da ist die Mutter, die ihr Kind mit Townes Van Zandts „I'll Be Here In The Morning“ in den Schlaf singt, die sitzengelassene Geliebte in dem durch Patsy Cline berühmt gewordenen „Three Cigarettes In An Ashtray“, die verletzte Raubkatze in Albert Kings „Feel Like Breaking Up Somebody's Home“ oder die um ihren Gefährten in wortlosen Klagelauten trauernde Hinterbliebene in „My Man's Gone Now“. Bassenge stülpt sich diese Figuren nicht über, sondern lebt sie mit großer stimmlicher Ausdrucksvielfalt. Countryjodel, hohle Verzweiflung, Kirchen-Soul, Cassandra-Wilson-Düsternis, Randy Newmans lakonische Resignation – all das holt Bassenge aus sich heraus wie andere ein Fotoalbum voller schmerzlicher Familienerinnerungen aus dem wurmstichigen Schrank im Keller. Dazu spielen Karlzon und Lang mit der bluesigen und spirituellen Reduktion wie einst Hank Jones und Charlie Haden auf ihrer Platte „Come Sunday“.
Gewiss: Es gibt auch fröhlich anmutende Songs auf „Borrowed and Blue“. Allerdings handelt es sich bei dem einen, Warren Zevons „Keep Me In Your Heart For A While“, um die letzten Worte eines sterbenden Menschen. Und bei dem anderen, Hank Williams „Rambling Man“, um ein perfides Rollenspiel: Genüsslich schluchzend weidet sich Bassenge da an den Nöten eines Schwerenöters, der sich über seine Unfähigkeit zur Treue beklagt. Pech gehabt: Damit kommen Männer 2018 nicht mehr durch.

Josef Engels, 03.11.2018


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