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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



Eine völlig vergessene französisches Grand Opéra, sehr gut eingespielt mit nicht nur erstklassigen, sondern auch ihrer Sprache mächtigen Vokalkräften: Diese über drei Stunden dauernde Audioköstlichkeit für den frankofonen Musiktheatergenießer präsentiert sich zudem in Buchform mit ausführlichen Einführungsessays. Aha, schon wieder eine Lieferung von den Archäologen der Stiftung Palazetto Bru Zane, wird der Kenner vermuten. Aber nein, die Firma B Records hat veröffentlicht, Sponsoren ermöglichten die konzertante Genfer Aufführung samt Mitschnitt. Solche Trittbrettfahrer loben wir uns! Vor allem, wenn es um die so plötzlich sprunghaft anwachsende Operndiskografie eines eminenten Spätromantikers wie Camille Saint-Saëns geht. Voilà, diesmal ist von „Ascanio“ dem 1890 an der Pariser Opéra uraufgeführtem siebten seiner zwölf Musiktheaterwerke die Rede; was nichts mit Mozarts „Ascanio in Alba“ zu tun hat, aber sehr viel mit dem „Benvenuto Cellini“ von Hector Berlioz. Auch Librettist Louis Gallet hat nämlich eine tragikomische Schnurre aus dessen wildbewegtem Goldschmied- und Bildhauerleben zu erzählen, aber diesmal ist nicht das römische, sondern das französische Kapitel der Künstler-Vita dran. Benvenuto und sein titelgebender Assistent Ascanio treiben es diesmal bunt in Paris und Schloss Fontainebleau zur Zeit von Franz I. (Tanzmusik der Renaissance zitiert entsprechend die 12-teilige Balletteinlage). Beide lieben Colombe, werden aber auch eifersüchtig verfolgt von den Damen Scozzone (die schließlich stirbt) und der Herzogin von Éstamps. Während der hier in seiner integralen Urfassung präsentierte Fünfakter in sieben Bildern nach einer ersten Erfolgsserie schnell in der Versenkung verschwand, ist doch eine Fülle dramatisch hinreißender, melodisch schwerblütiger Musik zu entdecken. Italienisches Melos, leitmotivische Wagner-Polyphonie und französischer Esprit mischen sich elegant. Erstaunlich trittsicher meistert das Genfer Hochschulorchester unter dem vitalen Guillaume Tourniaire seinen bedeutenden Part. Und für die komplexen Rollen ist eine allererste Garde frankophoner Sänger aufgefahren: Cellini ist kein Tenor, sondern der versatile Bariton Jean-François Lapointe. Bernard Richter schenkt der Titelfigur seine höhensicheren Tenortöne. Der dunkle Mezzo Ève-Maud Hubeaux ist die tragische Scozzone, Karina Gauvin orgelt die Herzogin, Clémence Tilquin kontrastiert dazu hell als Colombe, und Jean Teigten gibt einen basssatten François I.

Matthias Siehler, 19.01.2019


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