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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

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am 04.05.2024



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Expansion

Jean-Paul Brodbeck

Enja Yellowbird/Edel 1097832EY1
(57 Min., 11/2019)

Seien wir ehrlich: Beim Wort „Expansion“ denkt man an eher unangenehme Dinge. Etwa an unkontrolliertes Wirtschaftswachstum oder an völkerrechtlich bedenkliche Gebietsaneignungen. Im Falle des Schweizer Pianisten Jean-Paul Brodbeck bekommt der belastete Begriff jedoch in jeder Hinsicht einen guten Klang. Zunächst im wahrsten Sinne des Wortes, weil der von Brodbeck gespielte Steinway-Flügel im Züricher Radio-Studio 2 perfekt aufgenommen wurde und der ganzen Bandbreite der Ausdrucksmöglichkeiten des Interpreten brillant Rechnung trägt.
Denn, und da kommen wir wieder auf das Expansionsthema zurück: Brodbeck weitet den Horizont des Jazzklaviers auf seiner zweiten Piano-Soloeinspielung seit 2003 gehörig aus. Und zwar in Richtung Klassik, was angesichts der traumhaft kultiviert fließenden Arpeggien, die der durch seine Begleitertätigkeiten unter anderem für den Saxofonisten Johannes Enders und der Sängerin Elina Duni bekannt gewordenen Baseler an den Tag legt, nicht überrascht – zumal sich in Brodbecks Diskografie auch ein Trio-Album mit jazzballadesken Tschaikowski-Bearbeitungen befindet.
Erstaunlich ist jedoch, wie nahtlos sich die Übergänge zwischen den Welten auf „Expansion“ ausnehmen. Was stammt aus der ernsten Musik, was kommt aus dem Real Book, was ist eine Komposition des Schweizers? Man kann es oft gar nicht so genau sagen. Weil zum Beispiel Frédéric Chopins Prélude in c-Moll von Brodbeck derart gekonnt reharmonisiert und umgebaut wurde, dass man sich unweigerlich fragt, auf welcher Miles-Davis-Scheibe dieser Chopin noch mal mitgespielt hat. Ähnlich verhält es sich mit dem „Brahmsian Dance“ aus der Feder des Schweizers – Johannes Brahms, das war doch der mit den ungemein groovenden Basslines, oder etwa nicht?
Umgekehrt erscheinen Standards wie „If I Should Lose You“ nicht wie locker hingeworfene Finger-Entspannungsübungen, sondern wirken komplex und zerklüftet. Brodbeck entbanalisiert diese Nummern gewissermaßen und bringt sie so auf Augenhöhe mit den klassischen Pendants.
Mit „Quiet Country“, einer lakonischen Ballade, die an den großen Musik-Vermittler Leonard Bernstein denken lässt, endet die Aufnahme standesgemäß: Brodbecks Expansionspolitik ist die der freundlichen, geradezu zärtlichen Übernahme.

Josef Engels, 30.01.2021


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