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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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Heinrich Ignaz Franz Biber, Pavel Josef Vejvanovský u. a.

„Biber meets Vejvanovský“ (Trompetenmusik am Hof von Kroměříž)

Jean-Franҫois Madeuf, The Rossetti Players, Barbara Konrad

Accent/Note 1 ACC24383
(50 Min., 8/2018)

Wir alle sind heute aufgewachsen mit der Selbstverständlichkeit, dass es alle irgendwie zur modernen Orchesterbesetzung gehörigen Instrumente in Bauversionen gibt, die einen qualitativ weitgehend gleichmäßigen „Output“ über die gesamte Skala der jeweils vom Instrument erreichbaren Töne gibt: Die Blasinstrumente etwa sind mit einem ausgeklügelten Ventil- oder Klappensystem ausgestattet, das systembedingte Unsauberkeiten oder „Wölfe“ auf ein Mindestmaß reduziert. Die historisierende Aufführungspraxis hat uns gelehrt und führt uns vor, dass dies nicht immer so war. In manchen Bereichen kam die „Wahrheit“ auch nur scheibchenweise ans Licht: Freilich führten die „originalen“ Barocktrompeten, die wir aus entsprechend aufgestellten Orchestern kennen, einen Quantensprung weg von der in den 1920er Jahren erfundenen kurzen, mit Ventilen versehenen Barocktrompete, wie sie Maurice André zu spielen pflegte. Aber freilich haben auch die heute verwendeten „originalen“ Barocktrompeten zumeist Grifflöcher als Spielhilfen, und die sind ebenfalls nicht original.
Nur wenige Trompeter, darunter Jean-Franҫois Madeuf, verzichten auch noch auf diese letzte unhistorische Krücke und setzen sich vollends den Tücken der Obertonreihe aus. Das Programm des vorliegenden Albums präsentiert zudem ein Stück, das die Probleme potenziert: Heinrich Ignaz Franz Bibers „Sonata à 4 Be mollis“ steht nicht im üblichen C-Dur, sondern in g-Moll und sieht einige Töne vor, die aus der grifflochlosen Naturtrompete nur sehr mühsam hervorzubringen sind. Eine besonders für Kenner der Materie faszinierende Hörerfahrung, verbunden freilich mit kleinen „Unvollkommenheiten“, die man dann akzeptiert, wenn man die historisierende Herangehensweise grundsätzlich befürwortet – und freilich in Kauf nimmt, dass auch die Wiedergewinnung der dazugehörigen spieltechnischen Fähigkeiten ein Prozess ist: Wir wissen nicht, wie in X Jahren Madeufs Schüler und Enkelschülerinnen klingen. Was beim Genießen einer aus historisierenden
Streichern und Trompete gemischten Besetzung als Spannung bestehen bleibt, ist die Erfahrung, dass auf Streichinstrumenten der damaligen Zeit mehr oder weniger „alles“ ging, während man bei den Trompeten mit Kompromissen leben muss. Der Rezensent liebt diese Art von Authentizität, denn sie lenkt den Blick hinter die Kulissen: Eine glatte Klangoberfläche, wie sie die moderne Instrumentenbesetzung im heutigen konventionellen Sinfonieorchester bieten kann, ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit.

Michael Wersin, 28.05.2022


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