home

N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



Ist das jetzt eine Zeitenwende? Zumindest trägt hier erstmals auf einem Decca-Cover ein Mann Kleidung weiblichen Zuschnitts und Stöckelschuhe, die eindeutig damenhaft sind. Der so schillernd Inszenierte ist – wohl als Speerspitze der nun auch hier Einzug haltenden modischen Genderfluidität gedacht – Sopranist Samuel Mariño. Der 24-jährige Venezolaner tritt in seinen Liederabenden schon mal, Vincenzo Bellinis „La sonnambula“ singend, im Faltenröckchen auf. So hat halt jeder seine Nische. Nach einem ersten Album von 2020 mit Arien von Georg Friedrich Händel und Christoph Willibald Gluck, wo er ebenfalls schon Frauenrollen interpretierte, möchte er bei seinem Großlabel-Einstand offenbar verstärkt seine weibliche Seite betonen. Nun sangen in der Barockoper je nach Wahl mal die Kastraten Frauen- wie Männerrollen, mal ihre weiblichen Pendants, die Altistinnen. Der junge Wolfgang Amadeus Mozart schrieb etwa den Hirten Aminta in „Il rè pastore“ für einen Soprankastraten. Aber man muss dessen geliebte Arie „L’amerò, sarò costante“ schon singen können. Mariño versucht es. Und betört mit seiner leichten Höhe, dem kindhellen Timbre. Dann aber kommt er doch ins Quietschen, Phrasen sacken weg, das Gehörte wirkt arg technisch gestückelt. Eine Virtuosen-, auch Kuriosennummer, aber nicht wirklich eine Erfüllung. Dafür mangelt es einfach an konstanter Technik. Sein Cherubino klingt nicht jünglingshaft, sondern kindlich greinend. Besser tönt Mariño – stets mit dem versierten Instrumentalunterfutter des Baseler La Cetra Barockorchesters unter Andrea Marcon – in Glucks eigener Sopranfassung des Orfeo oder in Mozarts „Mitridate, re di Ponto“. Licht und Schatten hingegen bei den Domenico-Cimarosa-Ausschnitten, verhaute Töne finden sich wieder beim ebenfalls modischen „schwarzen Mozart“ Joseph Bologne, von dem er als Weltpremiere zwei Arien aus „L’amant anonyme“ von 1781 in der Clutch hat.

Matthias Siehler, 28.05.2022


Diese CD können Sie kaufen bei:

Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen


Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.



Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Das Klavierquartett c-Moll des 19-jährigen Strauss war ein Geniestreich, der sofort als solcher erkannt wurde. Komponiert 1883/84, zwischen der ersten Sinfonie und der „Burleske“ für Klavier und Orchester, gilt es als Höhepunkt der Auseinandersetzung mit Brahms und den Formen der klassisch-romantischen Instrumentalmusik.

Aus einer viel späteren Schaffensphase, nämlich den letzten Kriegsmonaten 1945, stammen die „Metamorphosen für 23 Solostreicher“. Zu jener Zeit arbeitete […] mehr


Abo

Top