home

N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



Responsive image mb-5
Jean Mouton, Josquin Desprez, Antoine Busnois u. a.

„The Landscape of the Polyphonists“

Huelgas Ensemble, Paul van Nevel

dhm/Sony 19439955002
(68 Min., 3/2021) 2 CDs

Die franko-flämische Musik im Zeitraum von etwa 1400 bis 1600 ist eine Kuriosität, ja eigentlich ein Wunder der europäischen Kulturgeschichte: Zweihundert Jahre lang brachte ein Landstrich von vergleichsweise geringer Größe eine Unzahl von außergewöhnlich befähigten Komponisten hervor, von denen die heutzutage bekannten – Dufay, Ockeghem, Desprez, Gombert etc. – nur die „Spitze des Eisberges“ darstellen. Paul van Nevel, als in Belgien beheimateter Spezialist für diese Musik und gleichermaßen für ihren geografischen Hintergrund, hat sich systematisch mit der Zeit und den Personen beschäftigt und kommt auf die unglaubliche Zahl von fast 300 Komponisten, die innerhalb der genannten zweihundert Jahre teilhatten am stilistisch prägenden, bei aller Vielfalt sehr einheitlichen Gesamtschaffen jener Franko-Flamen. Das Besondere an van Nevels differenziertem Blick auf Musik und Landschaft ist, dass er die spezielle Geografie seiner Heimat ursächlich „mitverantwortlich“ macht für den Stil der Musik: Flache Landschaften mit nur leicht schwingenden Hebungen und Senkungen, die immer den Horizont im Blick behalten lassen, als Vorbild für schier endlose Melodiebewegungen, die große Ruhe und stets leichte Melancholie ausstrahlen. Die Redundanz immer wiederkehrender Hügelformationen als Inspiration für die polyphone Durchimitation. Was zunächst vielleicht abwegig klingt, macht das Beiheft der vorliegenden Doppelbox unmittelbar anschaulich: Wundervolle Fotografien belgischer Landschaften durchziehen das Heft, und van Nevel ist so weit gegangen, die einzelnen Bilder in ihrer jeweiligen Charakteristik den auf dem Doppelalbum enthaltenen Stücken zuzuordnen. Das Engagement und die Akribie haben sich gelohnt: Van Nevel verleiht den geistlichen und weltlichen Werken von Busnois, de Févin, Mouton, Baston und anderen, die er für diese Einspielung mit seinen bewährten Sängerinnen und Sängern auf gewohnt hohem Niveau neu interpretiert hat, zusätzlich Kontur und Gestalt durch die Zuordnung zu den Landschaftsbildern. Reiselust erwacht beim Hören und Anschauen dieser Edition: Man möchte mit einem kompetenten Führer selbst auf Spurensuche gehen in Flandern und die in diesem Produkt nur erahnbaren Parameter – Klima, Gerüche – dem bisher gewonnenen Erfahrungsschatz beigesellen. Was für eine inspirierende Produktion!

Michael Wersin, 11.06.2022


Diese CD können Sie kaufen bei:

Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen


Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.



Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Das Klavierquartett c-Moll des 19-jährigen Strauss war ein Geniestreich, der sofort als solcher erkannt wurde. Komponiert 1883/84, zwischen der ersten Sinfonie und der „Burleske“ für Klavier und Orchester, gilt es als Höhepunkt der Auseinandersetzung mit Brahms und den Formen der klassisch-romantischen Instrumentalmusik.

Aus einer viel späteren Schaffensphase, nämlich den letzten Kriegsmonaten 1945, stammen die „Metamorphosen für 23 Solostreicher“. Zu jener Zeit arbeitete […] mehr


Abo

Top