Die sogenannte „kleine“ g-Moll-Sinfonie KV 183 zählt zu den kühnsten Geniestreichen des jungen Wolfgang Amadeus Mozart. Er schrieb sie 1773 mit 17 Jahren und kreierte eines der wildesten Exempel des musikalischen „Sturm und Drang“, der die anstehende politische Zeitenwende vorbereitete. Das 2009 in Trondheim gegründete norwegische Originalklang-Ensemble Orkester Nord hat jetzt unter seinem Leiter und Gründer Martin Wåhlberg diesen Solitär mit einer im selben Jahr entstandenen Instrumentalsuite aus André Grétrys Ballett-Oper „Céphale et Procris“ kombiniert, um auf eine wichtige Inspirationsquelle für Mozarts eigene Entwicklung, nämlich die damals in Frankreich sich extensiv ausbreitende Opéra-comique und ihren wohl wichtigsten Vertreter zu verweisen. Abgerundet wird das Album durch die 1776 in Salzburg aufgeführten Zwischenaktmusiken Mozarts zu Tobias von Geblers heroischem Drama „Thamos, König in Ägypten“, die ebenfalls in exzessiver Weise der damaligen „Sturm-und-Drang“ -Mode huldigen. Doch während die drängenden Tempi, die geschärften Klangprofile und die geradezu aggressive Spielweise der norwegischen Radikalhistoriker das explosive dramatische Potenzial und die Chiaroscuro-Dramaturgie der beiden Mozart-Werke weiter aufheizen und deren Sonderstellung bekräftigen, vermag ihr beherzter Einsatz die weniger zwingenden musikalischen Einfälle des 15 Jahre älteren Grétry nicht auf ein vergleichbares Niveau zu hieven. Dieser schrieb 70 Opern, aber keine einzige Sinfonie, und so vermögen auch seine hier vorgestellten Instrumentalsätze die Ebene illustrativer Bühnenmusik nicht zu überwinden. Sie verblassen schlicht neben der unfassbaren sinfonischen Power beider Mozart-Stücke. Hier vergleicht man funkelnde Diamanten mit einem gewöhnlichen Halbedelstein.

Attila Csampai, 15.10.2022

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