Der aus Korea stammende Wahl-Berliner Seong-Jin Cho gewann 2015 mit 21 Jahren den Warschauer Chopin-Wettbewerb und gilt seither als Chopin-Spezialist. Doch auch seine für das Gelblabel produzierten Alben mit Debussy und Mozart bestätigten seine hochentwickelte Klangkultur und seine außergewöhnliche technische Raffinesse: Ein hochsensibler Virtuose. Jetzt hat er unter dem Titel „The Handel Project“ drei Cembalo-Suiten des Barockmeisters mit dem großen Variationen-Zyklus, den Johannes Brahms 1861 nach einem Thema Händels anfertigte, gekoppelt und so auf dem großen Steinway-Flügel eine geistige Brücke geschlagen zwischen der intimen Schönheit der barocken Originale und der orchestralen Wucht der romantischen Transformation.
Ich muss gestehen, dass mich dabei Chos feinfühlige und hochintelligente Interpretation der drei Cembalosuiten Händels aus dem Jahr 1720 mehr berührt und fasziniert hat als seine energisch-maskuline, theatralisch-festliche Lesart des Brahmsschen Zyklus, der, wie hier deutlich zu hören ist, das Händelsche Thema quasi nur als Vorwand nimmt, um ein zutiefst romantisches, expressiv ausladendes, vor Energie berstendes Werk zu kreieren.
Dennoch: Cho schafft es, auch dem ausladenden, 27-teiligen Brahms-Zyklus eine starke innere Stringenz und Sogkraft zu verleihen, indem er mit frischen zügigen Tempi und einer breiten Palette von ständig wechselnden Farben dessen emotionale Vielfalt und Dramatik plastisch herausarbeitet. So erscheint die mächtige Schlussfuge wie eine eruptive Befreiung aus den Fesseln der strengen Form. Und die beiden Händel-Zugaben vollziehen am Ende eine Art träumerischer Rückbesinnung auf die ungefährdete Idylle vergangener Tage und den spirituellen Zauber der Originale: Ein schlüssiges, überzeugendes Konzept.

Attila Csampai, 25.02.2023

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