Warner Classics 5054197257049
(1927-1970) 95 CDs
1973 ist Otto Klemperer im Alter von 88 Jahren verstorben, bis 1970 hat er noch regelmäßig im Aufnahmestudio gearbeitet. Die frühsten Aufnahmen allerdings, die in dieser Box enthalten sind, stammen aus dem Jahre 1927. Über 95 CDs erstreckt sich allein das sinfonische Aufnahme-Lebenswerk, das diese überwältigende Sammlung liebevoll dokumentiert. Die der Klemperer-Ära weitgehend Nachgeborenen, zu denen auch der Rezensent gehört, haben mit der kantigen, skurrilen Art dieses Mannes vor allem durch die lange Zeit weit verbreiteten Anekdotensammlungen Bekanntschaft gemacht. Schon die oberflächliche Beschäftigung mit seiner Biografie, die vom Gang ins amerikanische Exil (Klemperer war jüdischer Abstammung), von einer Depressionserkrankung und von mannigfaltiger körperlicher Unbill geprägt war, trägt dazu bei, die charakterlichen Eigenheiten hinter den Anekdoten verständlich zu machen.
Das Querhören durch die imposante interpretatorische Gesamtleistung dieser Box erweitert das Bild auf das Wesentliche hin: Wir erleben die Früchte jahrzehntelanger, unermüdlicher, akribischer Probenarbeit, wir nehmen wahr, mit welchen visionären interpretatorischen Maximen er sich dem großen klassischen Repertoire genähert hat. Wir begegnen anderen großen Künstlerinnen und Künstlern, die seinen Weg gekreuzt haben: Christa Ludwig z.B., die 1962 mit dem Philharmonia Orchestra unter Klemperers Leitung ein Wagner-, Brahms- und Mahler-Rezital eingespielt hat, bei dem sie auch „Isoldes Liebestod“ gesungen hat, oder Fritz Wunderlich, der 1964 so unvergleichlich im „Lied von der Erde“ agiert hat. Dazwischen immer wieder Mozart und Beethoven, aber auch Tschaikowski und Berlioz, Strawinski und Hindemith, Strauss und Bruckner, natürlich auch Bach, und – ganz am Ende – auf zwei CDs die Aufnahmen eigener Werke, denn Klemperer war selbst auch Komponist. Den Abschluss bildet eine Bonus-CD mit einer von Jon Tolansky zusammengestellten und kommentierten umfangreichen Dokumentation in englischer Sprache, die eine Menge Originalton zahlreicher Zeitgenossinnen und Weggefährten enthält. Alles in allem eine eindrucksvolle editorische Leistung: Einer der ganz Großen des 20. Jahrhunderts rückt uns ein Stück näher.
Michael Wersin, 05.08.2023
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