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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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Continuing

Tyshawn Sorey Trio

Pi Recordings/hm-Bertus PI98
(50 Min., 12/2022)

Nachdem man ihn nach eigenen Worten knapp zwei Jahrzehnte lang in der Kategorie Avantgarde eingeordnet hatte, entschloss sich Tyshawn Sorey 2022 zu einer radikalen Kehrtwende: Auf dem Album „Mesmerism“ präsentierte sich der Schlagzeuger als Bewunderer der Jazztradition und spielte im Rahmen einer klassischen Piano-Trio-Besetzung Stücke von Mainstream-Helden wie Duke Ellington oder Horace Silver.
„Continuing“ setzt die ehrende Auseinandersetzung mit den Altvorderen noch konsequenter und konzentrierter fort. Gewidmet ist die Einspielung Soreys 2019 verstorbenem Mentor Harold Mabern. Von dem Pianisten lernte der barrierefrei zwischen Neuer Musik, Free Jazz oder Klangkunst wechselnde Drummer eine wichtige Lektion: Wenn man wirklich etwas über Freiheit im Jazz erfahren wolle, müsse man die alten Meister hören. Allen voran Ahmad Jamal.
Dessen „Seleritus“ interpretiert Sorey nun an der Seite seiner Trio-Partner Aaron Diehl (Piano) und Matt Brewer (Bass) mit größter Sorgfalt und erleuchteter Seelenruhe. Über 15 Minuten lang graben sich die drei regelrecht in das Stück ein, wobei Soreys an Jamals „Poinciana“ gemahnender Calypso-Beat die federnde Grundlage liefert.
Noch reduktionistischer geht das Trio bei Wayne Shorters „Reincarnation Blues“ und „Angel Eyes“ von Matt Dennis und Earl Brent vor, die in einem derartigen Zeitlupentempo daherkommen, dass sie beinahe wie eine Swing-Persiflage wirken. Wenn man sich allerdings erst einmal an diese radikale Verlangsamung gewöhnt hat, stellt sich ein interessanter Effekt ein: Man gerät in einen Zustand der gesteigerten Wahrnehmungsfähigkeit und betrachtet plötzlich jeden einzelnen Snare-Schlag und jede Klavierfigurenminiatur aufmerksam wie unter einem Mikroskop.
Durch das Ableben von Wayne Shorter und Ahmad Jamal in den vergangenen Monaten bekommt der Plattentitel „Continuing“ eine zusätzliche Tiefe. Dass man beim Gedenken an die Vorausgegangenen nicht in Ehrfurcht und lähmender Trauer erstarren muss, zeigen Sorey, Diehl und Brewer mit dem Albumabschluss: Da wird Harold Maberns „In What Direction Are You Headed?“ zu einer Lektion in Sachen Präzision und funkigem Understatement. Dieser unbedingte Glaube an die Jazz-Basics ist schon fast wieder Avantgarde.

Josef Engels, 19.08.2023


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