Miles Davis erklärte in seiner Biografie, dass das Meisterwerk „Kind Of Blue“ entscheidend von seiner Begegnung mit dem Daumenklavier im Rahmen einer Aufführung des Ballets Africains aus Guinea geprägt worden sei. Wie dem auch sei: Klanglich hat sich dieser Einfluss jedenfalls nicht in der Aufnahme niedergeschlagen. Da macht es der Trompeter Matthew Halsall den Zuhörenden deutlich einfacher.
Die Kalimba und ihre Idiofon- und Zupfinstrumenten-Verwandten wie Glockenspiel, Xylofon, Harfe, Gongs und einem eigens für ihn angefertigten Triangel-Mobile stehen ganz klar im Zentrum des neunten Albums des Mannes aus Manchester. Oftmals beginnen die Stücke mit einer ganzen Reihe von glockenhaften Sounds, aus denen dann daumenklaviertypische Melodiepattern entstehen. Diese geben die repetitiven Strukturen für Halsalls Kompositionen vor, die mit geradezu weltentrückter Entspanntheit vorgetragen werden. Mal erklingt eine Flöte, mal ein Sopransaxofon, mal ein verträumtes Harfenglissando.
Dabei gelingt es dem zwar nicht in der Tongestaltung, dafür umso mehr in der Sparsamkeit deutlich nach Miles kommenden Halsall, eine gute Balance zu halten. Den ans Esoterische anrainenden Momenten in seiner Musik – etwa Field Recordings von Vogelzwitschern oder Wellenrauschen – begegnet der Trompeter mit anregenden pulsierenden Drum-Grooves irgendwo zwischen afrikanischer Polyrhythmik, Dancehall und Kiffer-Club.
Und so wird Halsall pünktlich zum 15-jährigen Jubiläum des von ihm gegründeten „Gondwana“-Labels einmal mehr seinem Ruf gerecht, eine der wichtigsten britischen Mittlerfiguren zwischen dem spirituellen Jazz der 1960er à la Pharoah Sanders oder Alice Coltrane, der DJ-Kultur der Jahrtausendwende sowie den Nachhaltigkeitsidealen der Improvisationsszene der Gegenwart zu sein.

Josef Engels, 16.09.2023

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