Jakub Józef Orliński muss ein wenig aufpassen. „Beyond“ – „Darüber hinaus“ – heißt sein jüngstes Album. Wieder ist die Optik schick, diesmal Schwarzweiß mit ein paar Goldeinsprengseln, wieder steht das Gesicht des hübschen polnischen Countertenors und Breakdancers total im Fokus. Und wieder gibt es eine Menge meistenteils unbekannter, eher melancholisch grundveranlagter Lieder, Arien, Kantaten, Madrigale, Concerti. Und wieder singt er die ein wenig in Sfumato verhüllt, schmachtend, klagend mit geradliniger Stimme.
Dagegen ist gar nichts zu sagen, doch die Orliński-Rezeptur – sehr schön deklamierender Model-Sänger, ganz nah am Wasser gebaut, gefällt sich in rar barockem Weltschmerz – wiederholt sich inzwischen spürbar; etwas weniger Komfortzone wäre jetzt mal angesagt. „Wir nehmen Sie mit auf eine Reise, die zu neuen Orten führt – jenseits der Orte, die Sie kennen“, lässt Jakub Józef Orliński als Album-Idee verlauten. Doch zumindest akustisch sind uns diese Orte inzwischen bestens vertraut, auch wenn wir die jeweiligen, zu einer durchgehenden Playlist verwobenen Arien von Kapsberger, Caccini, Frescobaldi, Strozzi, Cavalli gar nicht kennen. Barockmusik ist manchmal eben doch ein überschaubarer Werkbaukasten.
Wir mögen natürlich die erlesene Instrumentierungs- und Spielkunst von Il Pomo d’Oro, hier gern lautenverziert, in kleiner Besetzung, und Orliński kann ja wirklich schön trillern, Legato-Bögen spannen. Aber irgendwie klingt es diesmal fad. Wir würden uns von diesem vitalen, sportiven, versatilen Künstler also jetzt mal alben-mäßig was Neues wünschen. Vokal- wie Instrumentalwerke von 18 Komponisten des italienischen Frühbarocks sind ok, gleich 10 Weltersteinspielungen toll. Fein, mal was von Kerll, Pallavicino, Netti und Jarzębski gehört zu haben, von Vitali, Saracini, Marini, Cappellini und Moratelli. Und hey, das sind keine Pastasorten. Aber wir sind sicher: Orliński hat noch mehr in der Birne, den Bändern und im Kasten.

Manuel Brug, 07.10.2023

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