Der junge Wilde hat wieder zugeschlagen: Den Serben Nemanja Radulović, mittlerweile 38, umweht mehr als nur ein Hauch von Ursprünglichkeit, Rauheit und Freiheit, und zu welchem Komponisten passt das besser als zu Beethoven? Erwartungsgemäß treiben der Geiger und sein Ensemble Double Sens Ausdruck und Gestaltungsmittel in dessen Violinkonzert immer wieder in Extreme – aber nicht nur.
Radulović hat Geschmack: Jede Beschleunigung, jede Verlangsamung des Tempos wird hier musikalisch begründet. Er formt ein ätherisches Piano mit Substanz. Und er kann exzellent phrasieren. Der Blick geht immer nach vorne, und man entdeckt staunend die Geschichte hinter den Klängen. Den Mittelsatz gibt der Geiger gemeinsam mit dem Orchester, zumal mit dessen Holzbläsern, als versponnene, sehr frei angelegte Traumsequenz. Hat man die Klangfarben hier je so bedeckt gehört, den Solisten (etwa in den von einem kaum hörbaren Streicherpizzicato begleiteten Takten) je so zerbrechlich erlebt? Sogar im voranstürmenden Finale bleibt diese Feinheit erhalten.
An Radulovićs Versuch, den Klavierpart der „Kreutzer-Sonate“ für ein Streicherensemble zu arrangieren, dürften sich allerdings die Geister scheiden. Zu hören ist: teils mehr Integration und weniger Kontrast, teils mehr Solokonzert als ein Dialog zweier gleichberechtigter Partner. Der Geiger wirft sich auch hier mit Präzision und viel Empfindung in die intensiv durchlebte Musik. Den Eindruck der Weichzeichnung von Beethovens bewusst gesetzten Kontrasten macht das jedoch nicht wett.

Susanne Benda, 11.11.2023

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