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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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Ex Machina

Steve Lehman, Orchestre National de Jazz

ONJ/Broken Silence 26073
(71 Min., 01/2023)

Die Franzosen liefern harte Kost. Das verblüfft nicht, denn Werke, an denen das IRCAM, also das Institut de recherche et coordination acoustique/musique, beteiligt ist, schmeicheln sich äußerst selten ins Ohr – diese Klangerforschungsstelle an der Schnittstelle von Elektronik und Neuer Musik unterstützt und entwickelt Experimente auf dem Weg zu neuen musikalischen Möglichkeiten. Mit Unterstützung des IRCAM beteiligten der Jazzmusiker Steve Lehman, der Komponist Frédéric Maurin und der auf Musiksoftware spezialisierte Jérôme Nika das interaktive Programm Dicy2 am Kompositions- und Realisierungsprozess von elf im Ludwigsburger Studio Bauer sehr differenziert aufgezeichneten Stücken.
Eines bleibt bei dieser Performance des Orchestre National de Jazz dabei offen: Wo improvisiert die KI? Oder, als Beispiel: Steuert sie oder der Schlagzeuger Raphael Koerner in „Los Angeles Imaginary“ die monotone Basis bei, die sich mit der Rhythmik der Bigband beißt und von sprunghaften Soli von den Saxofonen und Trompeten des Orchesters gewürzt wird. In der Einleitung zu „Chizmera“ begegnen sich Vibrafon und Elektronische Percussion und im Hintergrund von „Alchemie“ scheinen menschliche Bläser und Bläserimitationen aktiv zu sein. Und woher stammen die modifizierten Reibegeräusche und zaghaften Instrumentalsounds in der „Ode To AkLaff“, bevor das Orchester mit sich gleitenden Taktarten dem Avantgardeschlagzeuger Pheeroan akLaff huldigt?
Die 71 Minuten der Disc strotzen vor Überraschungen. Einerseits erinnern Schlagzeug und Bläser in „Les treize soleils“ und andernorts an die in den 1980ern avantgardistischen M-Base-Musiker um Steve Coleman. Andererseits liegen in den jeweils zweiteiligen Stücken „Speed-Freeze“ und „Le seuil“ über Anklängen an die elektronische E-Musik – teilweise in unterschiedlichen Tempi – weitere Klangschichten, die durch Dichte der Orchestrierung sogar einen Hauch von Bigbandfeeling integriert haben.
Völlig neu sind derartige Dialoge menschlicher Musiker und interaktiver Computersoftware nicht; unter anderem hatte schon vor 25 Jahren der amerikanische Tubist George Lewis mit der damals verfügbaren Technik Dialog-Experimente unternommen. Für das immer noch weitgehend unerschlossene Feld derartiger Schnittstellenmusik setzt das Orchestre National de Jazz vorläufig den Maßstab.

Werner Stiefele, 06.01.2024


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