Benjamin Brittens komplexes, trotzdem schwelgerisch-schönes Violinkonzert ist als eines der großen Geigenwerke des 20. Jahrhunderts immer noch zu entdecken. Der 25-Jährige zollt darin Alban Berg seine Bewunderung. Vollendet wurde es zu Beginn des zweiten Weltkriegs bereits im amerikanischen Exil. Also passt es, wenn es jetzt wieder einmal von einem „Dornröschen“ wachgeküsst wird.
So nämlich heißt die Stradivari von Isabelle Faust, deren lyrisch fester Ton auch ihre jüngste Einspielung prägt. Mit Jakub Hrůša und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks hat sie zudem ideale Partner für diese gefühlvolle und gleichzeitig auf Distanz haltende Musik. Sorgsam erkundet man gemeinsam die Sätze, es flirrt hier zwischen filmmusikalischen, fast an Korngold erinnernden Passagen, einer dramatischen Kadenz im zweiten Satz und Barock-Rückgriffen in der Passacaglia des dritten Satzes. Die technische Brillanz, etwa mit den vielen Doppelgriffen meistert Faust so ganz nebenbei, ob Pizzicato oder Flageolett, es geht ihr mit Präzision wie Strahlkraft, mal sanft, mal heftig von der Hand. Und auch das Orchester spielt seinen dankbaren Part mit großem Engagement.
Ergänzt wird das von Faust und ihrem ständigen Klavierpartner Alexander Melnikov durch zwei weitere für den Widmungsträger, den spanischen Geiger Antonio Brosa komponierte, intimere Britten-Violinwerke, die Suite für Violine und Klavier op. 6 mit kurzer Einleitung und vier stimmungsvollen Genre-Sätzen sowie die Konzertstudie „Reveille“ – beides so atmosphärische wie virtuose Werke. Und für die interessanten, hier ersteingespielten Two Pieces für Violine, Viola und Klavier des 16-jährigen Britten stößt der Faust-Bruder Boris an der Bratsche zum auch diesmal wieder Winning Team. Eine durchaus exemplarische Einspielung.

Manuel Brug, 13.04.2024

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