Lange haftete dem Sinfoniker Schumann der Hautgout des mäßigen Instrumentators an: Erst am Ende des 20. Jahrhunderts wurde er durch prominente Historisten wie Roger Norrington, Philippe Herreweghe oder John Eliot Gardiner als innovativer und eigenwilliger Komponist auch der sinfonischen Besetzung rehabilitiert: Sie bewiesen, dass man seine komplexen Partituren auch ohne Eingriffe und Retuschen transparent und prägnant musizieren kann. Zuletzt folgten auch Paavo Järvi und Thomas Dausgaard diesem „historisch orientierten“ Ansatz.
Jetzt hat auch der Niederländer Jan Willem de Vriend, der ebenfalls eine große Erfahrung in der Barockszene vorweisen kann, die ersten beiden Sinfonien Schumanns mit den bei uns kaum bekannten Sinfonikern aus der norwegischen Stadt Stavanger eingespielt, und man wundert sich, dass er sich hier mit großer Besetzung wieder dem farbig-üppigen, romantischen Klangbild des letzten Jahrhunderts zuwendet und eine Balance anstrebt zwischen prächtigem Orchestersound und einer transparenten Vielstimmigkeit, die mit flotten Tempi auch das komplexe Innenleben des Schumann’schen Orchesterklangs auszuleuchten sucht. De Vriend entscheidet sich hier dezidiert für den Romantiker Schumann, für das Wechselspiel zwischen „Florestan und Eusebius“, und beschwört in den langsamen Sätzen die enorme lyrische Kraft und die fließende Schönheit seiner melodischen Linien.

Attila Csampai, 20.04.2024

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