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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Richard Strauss

Salome

Birgit Nilsson, Gerhard Stolze, Eberhard Waechter, Grace Hoffman u.a., Wiener Philharmoniker, Georg Solti

Decca 414 414-2
(1961) 2 CDs, Komponiert: 1903-05, Uraufführung: 1905 in Dresden; ADD

Wenn das Schlagwort "Skandalerfolg" für ein Werk im doppelten Sinne zutrifft, dann auf die "Salome". Allein das Libretto nach dem gleichnamigen Stück von Oscar Wilde war zu Beginn des Jahrhunderts nicht nur im wilhelminischen Deutschland eine Provokation: Salome, Stieftochter des Herodes, verzehrt sich im Verlangen nach dem Propheten Jochanaan, der im Kerker des Schlosses gefangen gehalten wird. Als Jochanaan auf ihre Verführungsversuche nicht reagiert, rächt sich Salome: Sie tanzt für Herodes den Tanz der Sieben Schleier - heute würde man das einen Striptease nennen - und fordert als Lohn den Kopf Jochanaans auf einem silbernen Tablett. Der Wunsch wird ihr gewährt, nun kann sie den Mund des Propheten küssen.
Kein Wunder, dass dieser Opernstoff als Angriff auf die Moral bald in aller Munde war, und die Kritiker verrissen das Werk einhellig. Wer es jedoch liebte, war das Publikum, und das trotz der vielen Kühnheiten, die Strauss in die Partitur eingebaut hatte. Also rissen sich die Opernhäuser der Welt um das "Skandalstück", und Strauss konnte mit den Tantiemen den Bau seiner Villa in Garmisch finanzieren.
Rein musikalisch bedeutet die "Salome" einen großen Fortschritt gegenüber den früheren Opern von Strauss. Sie ist in einem Akt durchkomponiert und lehnt sich in der Leitmotivik an Wagner an. In der Harmonik geht sie jedoch einen entscheidenden Schritt weiter: Die Tonalität wird an einigen Stellen aufgelöst, und es gibt ausgedehnte bitonale Passagen. Strauss verwendet ein Riesenorchester von über hundert Mann, stärker jedoch als die Orchestermassen treten die äußerst nuancierten Klangfarben ins Ohr, die auf faszinierende Weise eine exotische Atmosphäre schaffen, ohne je in billige Orientalismen abzugleiten. Über allem jedoch steht die subtile Charakterzeichnung: In dieser Oper gibt es kein Gut und Böse - Salome ist nicht nur Zerstörerin, sondern auch Getriebene und unglücklich Liebende.
Georg Soltis Aufnahme mit Birgit Nilsson in der Titelrolle ist mittlerweile fast vierzig Jahre alt und hat dennoch nichts von ihrem Rang eingebüßt. Die nervenzerreißende Spannung, die diese Interpretation prägt, bleibt bis zur letzten Sekunde bestehen. Birgit Nilsson ist, auch wenn sie für die Kindfrau Salome ein etwas zu reifes Timbre besitzt, in ihrer hundertprozentigen Identifikation mit dem ambivalenten Charakter der Prinzessin eine Idealbesetzung, und Gerhard Stolze präsentiert einen herrlich neurotisch-dekadenten Herodes.

Thomas Schulz, 01.09.2007


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