home

N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Responsive image mb-5
Franz Schubert

Sonate D 960 u.a.

Lars Vogt

Avi/Alive 8553098
(76 Min., 10/2006, 9/2007) 1 CD

Man wird Lars Vogt nicht widersprechen wollen, wenn er die B-Dur-Sonate von Franz Schubert D 960 als ein "gnadenloses Abschiedsszenario" beschreibt und auch so begreift als Interpret. Die Sonate erzählt von den letzten Dingen, vom Ende der Zeit, vom Ende der Lust und Last; dass sie tatsächlich vom Ende des Lebens erzählt, dürfen wir zumindest annehmen. Es sind diese unglaublichen Pausen, die im Kopfsatz Molto moderato immer wieder in die Melodie förmlich hineinbrechen, die davon künden, dass etwas nicht mehr richtig funktioniert – vielleicht ist es das Leben. Und dann gibt es diesen verteufelt dunklen Triller, der in der Tat nur ein einziges Mal nicht im drohenden pianissimo, sondern als sforzatissimo erscheint. Schubert hat das nicht ohne Grund so hingeschrieben. Also ist es richtig, die Exposition zu wiederholen, damit den Prozess der Weltentfernung zu verlängern. Ob man den gesamten Satz allerdings so langsam spielen muss wie Vogt, das sei dahingestellt. Das Tempo entscheidet nicht darüber, wann die Dinge letzte und wann sie nur vorletzte oder mittlere sind. Doch wie Vogt es spielt, besticht das denn doch: Dem wohnt ein wirklich langer Atem inne, und damit ein Zauber der Vergänglichkeit. Nur Leon Fleisher und Radu Lupu waren so langsam, muteten sich wie Vogt dieses quälende Tempo zu, wobei Fleisher auf die Wiederholung verzichtet und Lupu, der große traurige Poet, nicht. Lars Vogt reicht an Lupus Verinnerlichung und an dessen tiefschürfenden Sinn heran, auch noch im Andante sostenuto. Aber dann wird er zu irdisch. Dann verstummt die Stimme des Abschieds, dann klingt das alles mit einem Mal nur noch sehr, sehr gut gespielt und organisiert. Es scheint, als würde Vogt dem Dämon, den er rief, nun ein Band vor den Mund kleben. Das ist schade, denn bis zu diesem Scherzo war es eine große, eine bedeutende Interpretation. So ist es insgesamt "nur" eine ausgezeichnete geworden – was die drei düster aufwallenden Klavierstücke D 946 nachhaltig unterstreichen, denen das Abgründige, Verwerfliche ebenso fehlt wie den Sätzen drei und vier der B-Dur-Sonate.

Jürgen Otten, 26.07.2008


Diese CD können Sie kaufen bei:

Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen



Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.


Abo

Top