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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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Gustav Mahler

Sinfonie Nr. 5 cis-Moll

Tonhalle-Orchester Zürich, David Zinman

RCA/Sony 88697 31450-2
(74 Min., 4/2007) 1 CD, SACD

Halbzeit. Im Zürcher Letzigrund würde der Trainer seine Spieler nochmals kräftig zusammenstauchen. In der Zürcher Tonhalle, wo David Zinmans Mahlerzyklus entsteht, sollten nicht die makellos agierenden Spieler des Tonhalle-Orchesters, sondern ihr "Trainer" in sich gehen, um den höchst zwiespältigen Eindruck zu korrigieren, den ihre ersten vier Sinfonien hinterließen. Zwar dirigiert Zinman in der Fünften nicht derart an Mahlers Intentionen vorbei wie bei der allzu vordergründig "himmlisch" genommenen Vierten; gleichwohl bleiben auch hier viele Fragezeichen. Natürlich ist nichts gegen das Motto "Transparenz und Balance" zu sagen, mit dem sich der Mahler-erfahrene Kanadier seinem Objekt nähert, im Gegenteil: Gerade hier, in einem der komplexesten sinfonischen Gewölbe überhaupt, wo man von der Unzahl von Säulen, Streben und filigranen Linien schier erschlagen wird, tut ein solches Motto der luziden Partiturdurchleuchtung Not. Auch lässt sich durchaus darüber streiten, ob Bernsteins überschäumender Feuereifer, den Zinman explizit als subjektivistisch kritisiert, Maßstab aller Mahler-Exegese sein muss.
Ausgerechnet dem Adagietto, Mahlers berühmt-berüchtigter Liebeserklärung an Alma, die seit Viscontis genialer Indienstnahme von morbider Endzeitstimmung nur so zu triefen scheint, tut Zinmans Objektivierungstendenz der maßvollen Rubati und Seufzer-Sforzati gut. Aber im grandios banal-verzerrten Trauermarsch "nach militärischer Art" wie im "mit größter Vehemenz" ausbrechenden Sonatenhauptsatz, ganz zu schweigen vom orgiastisch sich überschlagenden Rondo-Kehraus: Hier verhindert Zinmans Ordnungsliebe, gepaart mit behäbigen Tempi, jegliches Mitgerissenwerden. Man höre, pars pro toto, die Rondo-Fuge, der Zinman mit einer geradezu lehrbuchhaft-akkuraten Akzentuierung und schlanken Linienführung nicht nur die Chaosgefahr, sondern auch allen Verve und Übermut nimmt. So könnte man vom Wald sprechen, den Zinman vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Oder in Anlehnung an Nietzsche, einen anderen großen zeitgenössischen Zivilisationskritiker, von der "Verhaustierung" Mahlers.

Christoph Braun, 27.09.2008


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