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(c) Wilfried Hösl
Das Dunkle und das Biedere, das Böse und die Unschuld. So unvereint und doch so nah. Kaum ein Regisseur wagt ihn noch, den dieses Jahr 200 Jahre alten „Freischütz“. Aber ja doch. Die Bayerische Staatsoper hat eben – neben bald Hamburg – die einzige echte Neuinszenierung in dieser Jubiläumspielzeit an allen 80 deutschen Musiktheatern herausgebracht. Sie wurde in die Hände des klug psychologisierenden Russen Dmitri Tcherniakov gelegt. Der duckt sich unter der deutschen Folklore durch, platziert die Jagdgesellschaft als mafios-moderne, völlig zeitlose Hochzeitsfeier im aseptischen Hotelfurnierholzballsaal zwischen Stehtischen und Geschäftshäuserpanorama. Das könnte die lustvoll gestellte letzte Party bei Wirecard in Aschheim sein. Zumindest sind auch hier die Bosse ähnlich durchgeknallt. Draußen gelangen Unschuldige in den Mordfokus, aber die echte Psychose explodiert von innen. Bedrohlich souverän, lauernd und leuchtend waltet Antonello Manacorda am Pult des Staatsorchesters. Da dräuen die Hörner giftigbös, müssen langen Atem haben für die extremen Tempi, die sich am Ouvertüren-Ende in C-Dur-Hetzjubel werfen. Obwohl dann nur noch Dialogreste bleiben, in zwei Stunden und 15 Minuten alles umstands- wie atemlos abgehakt ist. Ziemlich gut die internationale Besetzung: Der wirklich abdriftende Max als Zielfernrohrgewehrnarr von Pavel Černoch singt etwas tenorzerquälter als nötig. Der schizophrene Kaspar, der zudem noch den schwarzen Jäger Samuel in seiner Brust trägt, gelingt Kyle Ketelsen als irre Identitätsstudie auf wendig-schlankem Bassbaritonfundament. Das routinierte, dabei kerlige Ännchen („Hey, Mädels“) der leicht manierierten Anna Prohaska sorgt mit eierblonder Haarbürste für die heute nötige Queerness. Eine Sopranoffenbarung ist Golda Schultz als Agathe. Da verhüllt sich keine Wolke, da strahlt Können und Ergriffensein, obwohl sie am Ende doch zum toten Kollateralschaden wird. Wirklich bewältig hat dieser erfreuliche, professionelle Münchner Ansatz die „Freischütz“-Probleme auch nicht. Und so wird es sicher regiediktatorisch weitergehen mit Carl Maria von Webers Opernjuwel.
Matthias Siehler, 03.04.2021, RONDO Ausgabe 2 / 2021
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