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Ob die Musikgeschichte gerecht ist, wird wohl nie abschließend entschieden. Der Kanon hält sich noch immer zäh auf den Konzertprogrammen, Ausnahmen bestätigen die Regel, aber gerade im Klavierfach sind Raritäten nach wie vor etwas für Nischenprogramme oder spezialisierte Festivals. Dabei können Entdeckungen Zusammenhänge stiften und musikhistorische Verbindungen beleuchten, die Werke des Kanons weniger monolithenhaft erscheinen lassen.
Der Pianist Oliver Triendl gehört zu den passionierten Trüffelsuchern, die abseits der ausgetretenen Pfade nach derartigen Kostbarkeiten suchen und sie ans Licht bringen – zumindest des Tonträger-Markts. Seine neuesten Trouvaillen sind zwei Komponisten, die Zeitgenossen waren: Der Rumäne Paul Constantinescu (1909 bis 1963) und der Schweizer Rudolf Moser (1892 bis 1960). Für Constantinescu tat Triendl sich mit der Norddeutschen Philharmonie Rostock unter Marcus Bosch zusammen, für Moser mit der Rigaer Philharmonie unter Philippe Bach.
Paul Constantinescu war ein Nachfolger von George Enescu, der von der Kammermusik bis zur Filmmusik alle Gattungen beherrschte, und eine Musiksprache entwickelte, die sakrale byzantinische Modi und Gesänge adaptierte, sich aber auch modaler Skalen und traditioneller Melodien der rumänischen Volksmusik bediente und sich zwischen westlicher Tradition und nationalem Tonfall etablierte.
Oliver Triendl erklärt am Telefon, wie er den rumänischen Pianisten aufstöberte: „Einer meiner favorisierten Komponisten ist George Enescu und wenn man sich näher mit ihm beschäftigt, kommt man schnell auf Constantinescu. Außerhalb Rumäniens ist er kaum bekannt, und selbst dort spielt man ihn viel zu selten. Ich war in seiner Geburtsstadt Ploiești, in der sogar die städtische Philharmonie seinen Namen trägt, aber sie spielen ihn nicht! Ich habe dann Constantinescu vorgeschlagen für ein Konzertprogramm. Was eigentlich etwas delikat ist, dass ein Ausländer die heimische Musik vorschlägt.“
Das musikalisch-stilistische Profil von Constantinescu beschreibt Triendl als „vielleicht ein bisschen konservativer als Enescu, aber wahnsinnig gut zu hören. Diese Musik ist leicht zugänglich, sehr rhythmisch und folkloristisch geprägt. Beide Werke dieser Einspielung, auch die ‚Karpatenhochzeit‘ sind für alle Beteiligten sehr dankbar geschrieben.“
Ein ganz anderer Fall ist Rudolf Moser: Der Schweizer hatte ein Faible für historische Musikstile, sakrale Kompositionstechniken und überwiegend kleine orchestrale Besetzungen. Triendl schätzt seinen sehr eigenen Stil: „Wenn man seine Musik hört, würde man wohl kaum auf das 20. Jahrhundert tippen. Oberflächlich betrachtet könnte man seinen Stil als Neobarock bezeichnen, man könnte despektierlich sagen, er war rückwärtsgewandt.“
Auch Mosers Musik bezeichnet Triendl als sehr „spielfreudig und eingängig“, das Klavierkonzert als äußerst gelungen. „Meine Favoriten aber sind die orchestralen Variationen, ein absolutes Meisterwerk. Sein Lehrmeister war hier Max Reger, er verwendet kontrapunktische Ideen und Fugati, aber in der kleinen, sagen wir Mozart-Besetzung, klingt das alles sehr transparent. Er war ein ganz eigener Kopf.
hänssler Classic/Profil
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