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(c) Bernd Uhlig

Grauer muss Medea klagen

Berlin, Staatsoper Unter den Linden: Cherubinis „Médée“

Doch. Da führt eine direkte Linie von Maria Callas zu Sonya Yoncheva. Da ist die gleiche Verletzlichkeit und Attacke, weibliche Wärme und gereizte Schärfe, Attitüde und Bescheidenheit zu erleben. Man hört auch einige Höhenprobleme – in Ausdrucksfacetten verwandelt. Da exponiert sich jemand gern und versteckt sich gleichzeitig in diesen Rollen, die größer als ein Sängerleben sind.
Nach der Violetta, der Tosca (in New York) und der „Pirata“-Imogene (an der Scala) folgte jetzt als Debüt an der Berliner Staatsoper Unter den Linden eine weitere Referenzpartie der großen Griechin. Die von der längst nicht mehr kleinen Bulgarin Yoncheva eben nicht imitiert wird, auch wenn bisweilen Vokalphrasen sich ähneln. Yoncheva hat mehr Fülle, mehr Daseinspositivismus, mehr Liebe in der eingedunkelten Stimme und in der Erscheinung. Sie kennt die Callas-Reverenzen genau, aber sie schafft entschieden Eigenes. Vor dem alle anderen Mitwirkenden verblassen.
So wird aus einem mediokren frühklassizistischen Pariser Musiktheater von 1797 das scheinbare Meisterwerk, als das schon bei legendären Maria-Callas-Auftritten ab 1953 in Florenz diese Cherubini-Oper aufleuchtete, kraft Persönlichkeit und Künstlerinnenmagie. Und zudem wird aus einer muffigen, unlustig teutonischen und wie so oft mit Gewalt hässlichen, in einer Tiefgarage angesiedelten Regietheaterverrichtung von Andrea Breth eine packende Charakterstudie über eine fremde Frau, eine verstoßene Gattin und Mutter, ein um seinen Lebenssinn kämpfender Mensch.
Sogar Daniel Barenboim hat – nach der harmonisch öde plätschernden Ouvertüre wie den routinierten Eingangsnummern – bei der ersten Medea-Arie den großen Atem, die Attacke, den Furor des frühen Beethoven gefunden. Wollte man bis dahin noch unbedingt den routiniert werkelnden Staatskapellenchef durch einen Zündler à la Currentzis ersetzt wissen, so kommt er auf einmal in den Takt, fasst Fuß. Und verbreitet Interesse für diese simpel gestrickte, leider simpel bleibende Musik als ein Werk des Genre-Übergangs.

Matthias Siehler, 22.12.2018, RONDO Ausgabe 6 / 2018



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