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Staatsoper Unter den Linden – Mozart: „Don Giovanni“ (c) Matthias Baus
Für seinen – innerhalb von 30 Jahren – vierten Berliner „Don Giovanni“ (nach Langhoff, Mussbach und Guth) hat Daniel Barenboim nochmal neu nachgedacht. Den Klang hat er merklich aufgehellt, in Schwung gerüttelt und aufgekratzt. Der spätromantische Gestus, für den Barenboim früher bei Wolfgang Amadeus Mozart stand, ist fort. Und nun?
Vincent Huguet als Regisseur seines Vertrauens hat in Mozarts Da-Ponte-Zyklus ein verbindendes Lebensalter-Konzept entdeckt. Die vorangegangene „Così fan tutte“ handelte von der Jugend, „Figaro“ über die Ehe. Der „Don Giovanni“ nun – in diesem erotischen Dreigespann – thematisiert für Huguet „Reife und Tod“. Kein schlechtes Konzept, schließlich wird Don Giovanni im Stück ja von verflossenen Liebschaften verfolgt. Von seiner Vergangenheit eingeholt. Leider setzt Michael Volle die Titelrolle als alternden Beau nicht richtig um. Er täte es, wenn er den Liebhaber als ewigen Stenz und Senioren-Playboy à la Rolf Eden verkörpern würde. Volle indes singt den Don Giovanni als alterslos tollen Hecht. Stimmlich gesehen wie einen „Fliegenden Holländer“, der an Land unter die Grabscher und Lebemänner gegangen ist.
Mehr Spaß macht Riccardo Fassi als Vorstadt-Strizzi Leporello. Und Bogdan Volkov als Don Ottavio. Elsa Dreisigs vollsaftige Donna Elvira, ein blonder Troublemaker, singt die eher brave Slávka Zámečníková (Donna Anna) ungewollt an die Wand. Serena Sáenz als Zerlina ergeht es nicht besser. Vom österlichen Festtags-Publikum wird das trotzdem angejubelt und durchgereicht. Man möchte feiern, also feiert man. Im kommenden Herbst folgt ein dritter Barenboim-„Ring des Nibelungen“ (Inszenierung: Tcherniakov). Schon jetzt kann man sich allerdings der Befürchtung nicht ganz entziehen, wie völlig überflüssig derlei Neuaufgüsse inzwischen sind. Barenboim wird im Dezember 80 Jahre alt. Die Jubelfeiern haben begonnen. Die Phase aber, wo das Alter noch einmal für einen Neuansatz sorgt, läutet dieser „Don Giovanni“ nicht ein. Er bleibt überfällig.
Robert Fraunholzer, 28.05.2022, RONDO Ausgabe 3 / 2022
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