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Mit Mussorgskis »Bilder einer Ausstellung« fing im April 1951 alles an. Nur ein einziges Mikrofon kam bei den Aufnahmen mit Rafael Kubelik und dem Chicago Symphony Orchestra zum Einsatz. Doch das Ergebnis war schlichtweg grandios. Der Chefkritiker der New York Times konstatierte, man hätte beim Hören der Aufnahme das Gefühl, sich »in the living presence of the orchestra« zu befinden. Und so wurde das Label Mercury gleich von Beginn zu: Mercury Living Presence. Seither sind 60 Jahre vergangen, doch trotz aller technischen Fortschritte und Erneuerungen, an die sich unsere Ohren in der Zwischenzeit gewöhnt haben, klingen diese Aufnahmen aus den 50er- und 60er-Jahren nach wie vor spektakulär, hat man stets den Eindruck, der Pianist oder das Orchester spielten im eigenen Wohnzimmer. Gefeiert wird der runde Geburtstag des audiophilen Labels mit einer 50-CD-Box zum Sonderpreis, in der sämtliche Hausgötter mit ihren gefeierten Einspielungen vertreten sind, allen voran Antal Doráti mit seinen Sinfonikern aus Minneapolis und London, Pianist Byron Janis und Cellist János Starker.
Michael Blümke
Wilhelm Kempffs sublime Kunst enthält seinen Hörern jene unmittelbare Befriedigung, wie sie etwa der emotionale und impulsive Zugriff eines Horowitz provoziert, auf geradezu kokette Weise vor. Für die fast feminine Überredungsgabe dieses Klavierspiels muss man empfänglich sein – wer noch nie einen Ton von Kempff gehört hat, wird zu recht finden, dass dieser Pianist bei den virtuoseren Aufgaben, der Fuge der Hammerklaviersonate oder den Händel-Variationen von Brahms, manuell schlichtweg überfordert war. Ungeschickte Apologeten – sie sind es oft – haben geschrieben, Kempff habe dieses Zupacken nicht »gewollt«. In Wahrheit waren ihm die virtuosen Raubtierreflexe wohl nicht in die Wiege gelegt. Und so schufen sich Körper und Geist ein musikalisches Universum, das immer ein wenig wie ein überwucherter zauberhafter Garten wirkt, erfüllt von einer beglückend feingliedrigen, unendlich vielgestaltigen Natur, der alles Gewaltsame fern ist. In einer warm-gemäßigten Zone kultivierte Kempff seinen lyrischen, gesanglichen Stil, nie überwältigend rasch oder vehement, dafür geistvoller und zarter als seine priesterhaften, donnernden oder neusachlichen Zeitgenossen. Ein sanft-radikaler Individualismus ist all seinen Aufnahmen eigen. Manche Werke Schumanns, die Arabeske, die Humoreske haben kaum wieder einen so innigen und auch etwas versponnenen Interpreten gefunden. Auf subtile und doch nachdrückliche Weise macht er sich Beethoven zu seinem Besitz. Das Pathos wandelt sich in seinem sphärischen, immer eigentümlich immateriellen Klang (als sei es nicht Muskelkraft, die die Tasten auslöse) in eigentümlich private Rede. Beethoven selbst wäre wohl erstaunt, wie nuanciert seine Musik klingen kann. Wer diese Schatztruhe öffnet, in der auf 35 CDs, liebevoll ediert und kommentiert, nahezu sein ganzes Repertoire lagert, dem weht kein historischer Dokumentenstaub entgegen. Die aufgehäuften Reichtümer, Zeugnisse einer eigenwilligen Suche nach Poesie und Schönheit, scheinen unberührt zu sein von der Zeit. Jeder wird darin sein Klavierglück finden.
Matthias Kornemann
RONDO Ausgabe 2 / 2012
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Wo kam das auf einmal her? Fragte man sich, als im November vergangenen Jahres dieser Schubert-Zyklus mit Nikolaus Harnoncourt und dem Chamber Orchestra of Europe aus den ORF-Archiven wie von Zauberhand wiederauftauchte. Harnoncourt war mit dem Kammerorchester eng verbunden, die Schubert-Sinfonien hatte er beim von ihm gegründeten Styriarte-Festival in Graz 1988 wellenschlagend dargeboten. Nun ist der Live-Mitschnitt auf 4 CDs erhältlich. Sowohl der Dirigent als auch das Orchester beweisen […] mehr »