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(c) Hedinn Eiriksson
Es war 2012, als sich ein etwas anderes Duo-Gespann von seinem Klangtrip nach Island zurückmeldete. Die amerikanische Stargeigerin Hilary Hahn hatte zusammen mit dem deutschen Indie-Pop-Pianisten Hauschka im rauen Norden Stücke aufgenommen, die nicht nur von romantischer Empfindsamkeit geprägt waren. Gerade Hauschka bekannte sich frank und frei zum Einfluss von Chopin und seiner „speziellen Traurigkeit, Melancholie“.
Auf dem Album „Silfra“ von Hahn/Hauschka konnte man dieses Chopin-Gefühl durchaus erahnen. Drei Jahre später bringt aber nun ein anderes Doppel genau das auf den Punkt, was Hauschka meinte. Zusammen mit dem isländischen Multiinstrumentalisten und Komponisten Ólafur Arnalds hat die deutsch-japanische Pianistin Alice Sara Ott Klavierstücke von Chopin ebenfalls in Arrangements aufgenommen, denen jetzt ein spannungsvoller Zauber und ein Ton sanftester Nostalgie inne wohnt. In Slow-Motion erklingt da – ergänzt von zusätzlichen Streichern und elektronischen Sounds – das cis-Moll-Nocturne Nr. 20 wie eine Ambient-Ballade. Das nur von Alice Sara Ott gespielte g-Moll-Nocturne besitzt ein aufnahmetechnisch historisch anmutendes Antlitz. Und auch einen Hauch von Einsamkeit und Tragik atmet Ólafur Arnalds´ Stück „Verses“, das er über das berühmte Rechte-Hand- Motiv aus dem Largo der 3. Klaviersonate im Minimal Music-Stil komponiert hat.
„The Chopin Project“ hat dieses nur in der Papierform ungleiche Paar Ott & Arnalds sein Album getauft. Wobei die Idee von ihm kam: „Ich habe mich stets gefragt, warum Chopin auf dieselbe Art gespielt wird. Ich habe daher immer auf jemanden gewartet, der einen anderen Weg einschlägt. Und eines Tages, während eines langen Flugs von Melbourne nach New York, dachte ich mir: Warum versucht Du es nicht selber.“ Mit Alice Sara Ott konnte er dafür nicht nur eine Pianistin gewinnen, die schon 2010 mit ihrer Gesamteinspielung der Chopin-Walzer bewiesen hatte, dass sie das ideale Gespür für das Wehmütige in dieser Musik besitzt. Die gebürtige Münchnerin gilt spätestens seit ihrem vierhändigen Strawinski- und Techno-Duell mit Pianistenkollege Francesco Tristano als extrem neugierig bis wagemutig.
Statt eines riesigen Flügels, an dem sie inzwischen Konzerte in aller Welt gibt, standen Ott aber jetzt bei den Aufnahmen alte Klaviere zur Verfügung, die man in den Bars von Reykjavík aufgetrieben hat. „Ich liebe es, auf verstimmten Bar-Pianos zu spielen, und Chopins Musik passt meiner Meinung nach sehr gut in eine solche Umgebung“, so Ott. „Er schrieb für kleine, vertraute Räume, für Wohnzimmer, und er liebte es zu improvisieren. Und Improvisation findet man besonders an diesen Orten, an denen viele Dinge passieren, auf die ein Musiker dann gut reagieren kann. Tatsächlich haben wir dann auch einige Aufnahmen in Anwesenheit von Gästen gemacht.“
Doch heraus gekommen ist eben kein Chopin im schicken Lounge-Stil, sonder eher im leichten Vintage-Klang, der das urromantische Lebens- und Leidensgefühl poetisch, in sich ruhend und doch leicht aufschäumend einfängt. Und wenn sich zwischendurch etwa der Sound eines Synthesizers hineinschlängelt, hat auch das nichts mit den nur an der Oberfläche bleibenden Classic-Remix-Projekten zu tun. Vielmehr glückt Ólafur Arnalds auch damit die Antwort auf die selbstgestellte Frage: „Warum sollen wir eigentlich nicht alle klangtechnischen Möglichkeiten als Teil der Interpretation nutzen?“
Guido Fischer, RONDO Ausgabe 2 / 2015
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