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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Hélène Grimaud & Sol Gabetta

„Das ist wie in der Liebe“

RONDO: Man nehme zwei Topstars, lasse sie vier populäre Werke spielen – schon hat man einen Verkaufshit ...

Hélène Grimaud: Das weiß man ja noch nicht.

Sol Gabetta: Stimmt. Und Sie glauben gar nicht, wie wir um dieses Projekt kämpfen mussten. Wir sind ja bei verschiedenen Plattenfirmen, die sind doch Konkurrenten.

Grimaud: Wir haben beim Festival in Gstaad miteinander musiziert, das hat sich sehr gut angefühlt, und wir wollten diese Erfahrung verlängern und eine CD machen. Die Idee ist ganz spontan, natürlich, organisch aus dieser Erfahrung des Musik-Machens heraus entstanden, das war nicht geplant. Überhaupt anderthalb Tage zu finden, in denen wir die CD aufnehmen konnten, war ein Alptraum.

RONDO: Ganz schön mutig, nach nur zwei Konzerten eine CD aufzunehmen.

Grimaud: Wir hatten so wenig Zeit für so viel Programm, wir mussten einfach spielen. Aber genau das wollten wir ja auch, die Aufnahme sollte den Geist der Konzerte von Gstaad atmen, es sollte so lebendig wie möglich werden. Aber ein Konzert wirkt in dem Moment, eine CD ist für die Ewigkeit.

Gabetta: Das ist wie mit der Liebe. Man verliebt sich für alle Ewigkeit – bis man die nächste Liebe findet.

Grimaud: Stimmt. Aber darüber haben wir gar nicht nachgedacht. Ich liebe die Arbeit des Aufnehmens, ich mache seit 27 Jahren CDs, das ist eine wichtige Motivation für mich. Aber mich interessiert der Prozess des Aufnehmens und weniger, was mit der Aufnahme hinterher passiert.

RONDO: Hélène, ein Klavier ist wie ein ganzes Orchester. Wozu brauchen Sie da noch einen Duo-Partner?

Grimaud: Klavier zu spielen ist schon eine sehr einsame Art und Weise, Musik zu machen. Selbst wenn man als Solistin mit einem Orchester spielt, ist man viel isolierter, als wenn man Kammermusik macht. Im Duo zu spielen ist besonders reizvoll, weil da zwei Menschen auf Augenhöhe musizieren. Beide sind ganz sie selbst und finden doch zusammen, ohne falsche Kompromisse. Das ist etwas sehr Spezielles. Schon in einem Trio ist es anders.

RONDO: Sol, wie ist es, vertraute Stücke plötzlich mit einem neuen Partner zu spielen?

Gabetta: Ich spiele mit wenigen festen Partnern, weil man da eine fast familiäre Vertrautheit aufbaut. Aber man muss an Musik immer frisch herangehen, es dürfen sich keine Gewohnheiten einschleichen. Ein neuer Partner öffnet neue Türen. Wenn man ein Stück mit einem anderen Partner spielt, wird es ein neues Stück.

Grimaud: Absolut, das ist auch meine Erfahrung. Was vorher war, zählt in dem Moment nicht. Das ist wie in der Liebe. Eine alte Liebe lebt natürlich in dir und macht dich reicher und stärker. Aber wenn du dann mit jemand anderem zusammenkommst, beginnt etwas völlig Neues.

RONDO: Sind Sie denn glücklich mit Ihrer CD?

Gabetta: Unbedingt. Ich finde, die Aufnahme hat diese Intensität, die wir, glaube ich, auch im Konzert hatten. Es ist etwas Besonderes, mit jemandem zu spielen, der solistisch so brillant ist wie Hélène. Das hätte auch ein Kampf werden können, aber das war es überhaupt nicht. Sie hat mir viel Platz gelassen. Wir waren auch nur an wenigen Stellen unterschiedlicher Meinung.

Grimaud: Dann haben wir beide Möglichkeiten ausprobiert und geguckt, was besser funktioniert.

RONDO: Obwohl Sie, Sol, die Stücke ja viel besser kennen.

Gabetta: Na, Hélène kennt sie auch gut. Sie hat sie mit Top-Cellisten gespielt, das war eine harte Prüfung für mich. (lacht)

Grimaud: Nur der Debussy war für mich neu.

RONDO: Was kommt nach der gemeinsamen Deutschland-Tournee im Dezember?

Grimaud: Das zu sagen, ist noch zu früh. Aber wir werden auf jeden Fall weiter zusammen Musik machen.

RONDO: Sol, Sie haben gerade noch eine andere CD veröffentlicht – mit dem ersten Cellokonzert von Schostakowitsch.

Gabetta: Das war gar nicht geplant. Ich finde es schön, dass auf beiden CDs Stücke von Schostakowitsch sind. Aber vor allem bin ich glücklich, dass Lorin Maazel dirigiert hat. Er macht nicht viele Aufnahmen mit Solisten. Mit ihm konnte ich endlich den ersten Satz so langsam spielen, wie ich ihn fühle. Alle anderen Cellisten nehmen ihn schneller. Maazel war der erste Dirigent, der mein Tempo akzeptiert hat und mochte. Es war toll, wie er das durchgezogen hat.

Robert Schumann, Johannes Brahms u.a.

Duo

Sol Gabetta, Hélène Grimaud

DG/Universal

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Arnt Cobbers, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 5 / 2012



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