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Belcea Quartet (c) Marco Borggreve
Eigentlich hatte er Verdis „Falstaff“ dirigieren wollen. Da ihm das Theater an der Wien eine so teure Eskapade aber (noch) nicht erlaubt, dirigierte René Jacobs erst einmal Antonio Salieris gleichnamiges Werk „Falstaff“. Lehrreich genug. Acht Jahre nach Mozarts Tod uraufgeführt, fallen die halb lustigen, halb traurigen Mischverhältnisse eines Dramma giocoso (dem auch dieses Werk meist zugeordnet wird) ganz und gar auf die komische Seite. ‚Hose runter!‘, heißt es am Ende moralisch eindeutig gegenüber dem übergriffigen dicken Ritter. Torsten Fischer inszeniert die Titelfigur (im Fettanzug: Christoph Pohl) mitsamt Diener Bardolf (Robert Gleadow) als: Oliver Hardy und Stan Laurel. Und lässt das Ganze trotzdem am heutigen Hof von Windsor spielen – mit Queen-Double, Prinz William und Kate Middleton. Ein hübscher royaler Gimmick, aber kaum mehr! Wie oftmals bei René Jacobs ist die Besetzung ein kleines Nümmerchen zu unprominent. Er selber macht durch Energie wett, was dem Stück an musikalischer Einzigartigkeit fehlen mag. Man lernt: Um halboriginelle Stücke richtig gut zu machen, braucht’s Genie. Und trotzdem, welch treffliche Wiener Repertoirepolitik!
Im Café Imperial, einer der feinsten Adressen unter den verbliebenen Ringstraßen-Kaffeehäusern, gehen wir heute dem Schwerenöter- Syndrom nach. Schließlich folgt auf „Falstaff“ (s. o.) im Theater an der Wien demnächst auch noch „Don Giovanni“ (ab 12.12.). Und zwar mit zwei alternierenden ‚Barihunks‘ in der Hauptrolle, die sich mit ziemlicher Sicherheit obenrum frei machen müssen: Nathan Gunn und Erwin Schrott. In zahllosen Opern geht es ohnehin um übersprunghafte Lüsternheit. Dazu passt es, dass Dirigenten notorisch in dem Ruf stehen, große ‚Damen-Männer‘ und Herzensbrecher zu sein. Wolfgang Wagner pflegte Besuchern von Bayreuth bekanntlich das Kornfeld zu zeigen, in dem Wilhelm Furtwängler gemeinsam mit seiner Geliebten einmal fast von einem Mähdrescher überrollt worden war. Der gestrenge Otto Klemperer, ein Mann vieler Affären, wurde einmal in einem Hotelzimmer aufgefunden, übersäht mit Lippenstiftspuren. Einer zweiten Anekdote zufolge antwortete er der Sopranistin Reri Grist auf die Bitte, doch etwas rascher zu dirigieren, mit den Worten: „I can’t make love to you any faster.“ – Sind heutige Künstler tugendhafter? Riccardo Muti (23., 24.1., Musikverein), Mariss Jansons (29., 30.1., Musikverein) und John Eliot Gardiner gewiss (8.12., Konzerthaus). Denn sie werden gut bewacht von ihren Ehefrauen. Zubin Mehta wiederum? Vielleicht. Der Dirigent des neuen Staatsopern-„Falstaff“ (ab 4.12.) wird zwar gleichfalls von seiner Frau, der ehemaligen Hollywood-Schauspielerin Nancy Kovack, begleitet; vor Jahren indes anerkannte Mehta einen illegitimen Sohn in Israel. Über Daniel Barenboim, der bei den Wiener Philharmonikern Smetanas „Mein Vaterland“ dirigiert (16.–18.12.), wollen wir bei dieser Gelegenheit lieber nichts sagen. Schon von Simon Rattle bekam ich vor Jahren fast eine Klage an den Hals, weil ich mir erlaubt hatte, ihn in einem Artikel als „womanizer“ zu bezeichnen. Es war nett gemeint.
Konzentrieren wir uns lieber auf Formationen, bei denen erotische Eskapaden, falls solche vorkommen sollten, meist unbemerkt bleiben. Das vorzügliche Belcea Quartet meldet sich im Wiener Konzerthaus mit einem Schubert-Programm zurück (29.11.); gefolgt von einem der wenigen Streichquartette der historischen Aufführungspraxis, dem Quatuor Mosaïques (mit Haydn, Mozart und Beethoven, 16.12.). Erotisch offensiver dürfte Angelika Kirchschlager vorgehen bei „Broadway Songs Reloaded“ (Ehrbar-Saal, 10.12.). Da passt es auch. Ober, zahlen!
Robert Fraunholzer, 03.12.2016, RONDO Ausgabe 6 / 2016
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