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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Startseite · Interview · Gefragt

(c) Marco Borggreve

Isabelle Faust

„Ich mache Plumm-Plumm“

Die Violinistin über Lust und Last des Reisens – und warum sie bei Mozarts Violinsonaten hinterm Klavier zurücktritt.

RONDO: Frau Faust, Wolfgang Amadeus Mozart war ein Reise-Komponist, ständig unterwegs. Ist das den Werken anzumerken?

Isabelle Faust: Oh, gewiss. Der Sinn des Reisens bestand für damalige Komponisten auch darin, sich fortzubilden und vom Stil der Länder, in die sie kamen, etwas für die eigene Musik zu profitieren. Das ist auch bei Mozart so. Man merkt etwas von Paris. Und von Italien schon sowieso.

RONDO: Auch Sie sind dauerhaft unterwegs. Außer heute!

Faust: Ich bin für ein paar Tage zu Hause in Berlin. Denn ich muss im Schneideraum an einer Aufnahme schnippeln, acht Stunden pro Tag. Da bin ich recht penibel. So ein paar Tage müssen natürlich sorgfältig herbeiorganisiert werden.

RONDO: Wie lange – und mit wie vielen Koffern – sind Sie normalerweise unterwegs?

Faust: Längstens zwei bis drei Wochen. Aber das immer wieder. Ich bin minimalistisch unterwegs, das heißt mit nur einem Koffer. Darauf lege ich Wert. Geht es nach Japan, so nehme ich halt den großen Koffer. Was Kleidung anbetrifft: Bügelfrei muss sie sein. Ich hasse bügeln! Auch sollte Auftrittskleidung nach Möglichkeit waschbar sein.

RONDO: Wollen Sie sagen, dass Sie nach dem Konzert Wäsche waschen?

Faust: Das kommt durchaus vor. Ich bin ein Fan des japanischen Designers Issey Miyake. Die Kleider sind sehr leicht. Ich kann sie ins Waschbecken tun, und sie werden bis zum nächsten Abend wieder trocken. Es sind meist Kunststoffe, nicht unbedingt Seide. Wir machen Kunst, und wir tragen Kunst.

RONDO: Nach welchen Prinzipien wird bei Ihnen ein Reiseplan gestrickt?

Faust: So, dass nicht zwei bis drei Tage Leerlauf entstehen. Ich arbeite gern und viel. Nur will ich nicht tagelang dazwischen herumhängen. Ich spiele auch gern an kleinen Orten, die aber leider oft kompliziert zu erreichen sind. Drei Tage hintereinander aufzutreten, und dann ein freier Tag, das ist ein guter Rhythmus für mich. Die Flüge starten oft um 7 oder 8 Uhr morgens. Ausschlafen kommt seltener vor.

RONDO: Können Sie es so einrichten, dass Sie zu Familiengeburtstagen zuhause sind?

Faust: Ich danke Ihnen für diese Frage! Mein großer Stolz ist es, dass ich bis zum 18. Lebensjahr unseres Sohnes keinen einzigen seiner Geburtstage verpasst habe. Das stand weit oben auf der Liste. Allerdings muss ich zugeben, dass sein Geburtstag Anfang Januar ist. Da bin ich meist frei.

RONDO: Ihr Mann arbeitet bei den Berliner Philharmonikern. Er war also vor Ort und damit überwiegend für die Erziehung zuständig?

Faust: Das ist richtig. Und darauf ist wiederum er sehr stolz. Ich übrigens auch, nicht zuletzt deswegen, weil das Resultat uns sehr gut gelungen scheint. Die Großeltern waren auch sehr wichtig, und Freunde ebenso. Manchmal denke ich, es war sogar besser so, dass ich unseren Sohn nicht zu sehr umsorgen konnte.

RONDO: Sie sind eine prononcierte Kammermusikerin. Auch deswegen, um nicht allein zu reisen?

Faust: Stimmt. Wer über Kammermusik-Tourneen nachdenkt, bezieht automatisch die Frage ein, mit wem man auch nach dem Konzert noch essen gehen möchte. Man reist eigentlich in der Gruppe. Etwa ein Drittel meiner Konzerte sind so.

RONDO: Ihr Stammbegleiter ist der russische Pianist Alexander Melnikov, mit dem Sie jetzt die Mozart- Violinsonaten aufgenommen haben. Bei Ihnen heißt es korrekt: Sonaten für Hammerklavier und Violine. Aus Respekt vor Melnikov?

Faust: Wenn man die frühen Sonaten für Klavier und Violine anschaut, hat die Geige dort begleitende Funktion. Ich mach’ nur Plumm-Plumm. Fast so, als sei die Geige ein Basso continuo-Instrument. Das ändert sich erst allmählich. Ab der A-Dur-Sonate KV 526 sind beide Instrumente gleichberechtigt. Die Führung übernimmt die Geige hier nie.

RONDO: Bedeutet das, dass man die Werke früher anders, vielleicht sogar falsch aufgefasst hat?

Faust: Ja, und ich höre auch heute noch oft die Bezeichnung: „Ihr Begleiter“. Der Pianist ist aber kein Begleiter, sondern ein vollgültiger, gleichberechtigter Partner. Anders geht es nicht.

RONDO: Sie verwenden historische Instrumente. Auch Darmsaiten?

Faust: Das machen sogar nur wenige außer mir. Darmsaiten sind sehr fragil. Ich muss manchmal drei, vier Saiten hintereinander aufziehen, weil sie sich immer sofort auflösen. Die Schafe von heute sind auch nicht mehr das, was sie früher einmal waren. Und wenn’s anfängt draußen zu regnen, merke ich das im Saal am Fiepen der Saiten.

RONDO: Nervenaufreibend!

Faust: Man braucht Nerven aus Stahl, wenn man Saiten aus Darm verwendet. Doch der Klang ist wärmer. Und natürlicher. Darmsaiten quietschen sogar anders, wenn man richtig reinlangt. Das tue ich gern. Schon damit es nicht heißt: Was ist das wieder für ein Schlappseil! Mit mir nicht.

Neu erschienen:

Wolfgang Amadeus Mozart

Sonaten für Fortepiano und Violine KV 304, 306 und 526

Isabelle Faust, Alexander Melnikov

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Zuletzt erschienen:

Franz Schubert

Oktett D. 803

Isabelle Faust, Anne Katherine Schreiber, Danusha Waskiewicz, Kristin von der Goltz, James Munro, Lorenzo Coppola, Javier Zafra, Teunis van der Zwart

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Im Tandem zu Mozart

Kürzlich erst bekamen Cédric Tiberghien und Alina Ibragimova den Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik für Mozarts Sonaten für Klavier und Violine. Zuvor herrschten vor allem Altmeister. Ob Arthur Grumiaux/Clara Haskil (Decca), Itzhak Perlman/ Daniel Barenboim (DG), Henryk Szeryng/Ingrid Haebler (Philips) oder Hilary Hahn/Natalie Zhu (DG): Immer war klar, dass die Geige die Führung übernimmt. Auf historischen Instrumenten hatten sich immerhin Gary Cooper und Rachel Podger (Channel) sowie das Duo Amadè (Chaconne) mit den Sonaten beschäftigt. Nichts spannender als zu sehen, wie sich die Geige aus der kolorierenden, verzierenden Funktion langsam befreit.

Robert Fraunholzer, 01.12.2018, RONDO Ausgabe 6 / 2018



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