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Ob Bachs „Johannespassion“ oder Haydn, ob Bruckners Siebte oder Beethovens Neunte – Sergiu Celibidache kannte jedes Werk bis ins kleinste Detail. In seinem Gehirn hatte er sämtliche Partituren abgespeichert, um bei den Proben und Konzerten nichts dem Zufall zu überlassen. Selbst im hohen Alter brauchte „Celi“, wie man ihn nannte, keine Gedächtnisstütze. Er thronte da wie Buddha vor seinen Münchner Philharmonikern und quittierte immer wieder mit einem sanften Lächeln das, was zuvor in intensiven, nicht immer konfliktlosen Proben hart erarbeitet worden war. Denn für den gebürtigen Rumänen, der ab 1979 die Münchner Philharmoniker zu einem endlich auch internationalen Spitzenorchester formte, stand das Ringen um die „musikalische Wahrheit“ im Vordergrund. Bisweilen sezierte Celibidache dafür das Notenbild mit einer Seelenruhe, als ob er bei den Live-Aufführungen ständig auf der Bremse gestanden hätte. So verstören viele seiner Live-Mitschnitte immer noch angesichts ihrer radikalen Slow Motion. Andererseits sind die jetzt gesammelten Konzert-Mitschnitte des bekennenden Aufnahmestudio-Abstinenzlers mit seinen Münchnern eine Einladung, selbst berühmteste Orchesterwerke wieder ganz neu zu hören. Neben den Sinfonien von Beethoven, Brahms und Bruckner gehören dazu auch die großen Chorwerke von Mozart, Brahms und Verdi. Was für ein Gespür der 1996 verstorbene Celi aber auch für die Klangfarbenpalette der klassischen französischen Moderne besaß, kann man nun erneut nur bestaunen.
Guido Fischer, 22.12.2018, RONDO Ausgabe 6 / 2018
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