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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

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am 04.05.2024



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Unterm Strich

Ramsch oder Referenz?

Ist mir ein Rätsel, warum Cyrille Dubois als Liedsänger hierzulande so konsequent ignoriert wird. Stehen vielleicht in der Weltsprache Musik immer noch Reste des Grabens herum, der einst das („echte“) deutsche Gefühl vom („falschen“) französischen Sentiment trennte? Überall anderswo, in London und Paris, hat man jedenfalls sofort den großen Wurf erkannt, als Dubois, gemeinsam mit dem Pianisten Tristan Raës, Anfang 2022 eine Gesamteinspielung aller Lieder von Gabriel Fauré herausbrachte (Aparté/Bertus). Jetzt legte er nach mit seinem ersten Solorecital französischer Tenorarien. Schon wieder: ein Wurf! Siebzehn Seltenheiten sind zu entdecken auf dem Album „So romantique!“ (Alpha/Note 1), die musikwissenschaftlichen Trüffelschweine des Palazzetto Bru Zane haben sie eigens für Dubois recherchiert. Neben bekannten, wie Auber oder Halévy, sind auch einige unbekannte Komponisten vertreten, darunter Louis Clapisson mit „Rêvons qu’un plus beau jour“ (originell instrumentiert!) oder Charles Luce-Varlet mit „Viens, ô mélodie“ (mit Echo!). Für schillernde Farben sorgt das Nationalorchester Lille unter Pierre Dumoussaud. Cyrille Dubois, 37 Jahre jung, singt mit Anmut, Licht, Glanz und klarer Diktion – eigentlich eine ideale Belcantostimme mit beispiellos fließender Beweglichkeit, quer durch alle Register. Ein „ténor de grâce à la française“, der als solcher inzwischen auch gern an großen Opernhäusern engagiert wird. Kraft und eine Spur Metall kommen neuerdings hinzu.

Daniel-François-Esprit Auber, Louis Clapisson, Charles Luce-Varlet u.a.

„So romantique!“

Cyrille Dubois, Orchestre National de Lille, Pierre Dumoussaud

Alpha/Note 1

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Etwas dünn klingt sie schon, die „verlorene“ französische Oboe, wieder gefunden und gespielt von Oboenguru Christopher Palameta. Er selbst spricht von einem „intimen“ Ton dieser mit zehn Klappen versehenen historischen Adler-Oboe, Baujahr 1835, was sich hervorragend mischt mit der Glockensüße des Érard-Flügels von 1840, den Olivia Sham traktiert. Gemeinsam haben die beiden acht teils verschollene Salonmusiken aus der Übergangszeit des Biedermeier wiederbelebt, von Johann Peter Pixis bis Robert Schumann (Ramée/Note 1). Zwar ist Hector Berlioz dabei nicht vertreten. Trotzdem heißt das Album „Berlioz’s Lost Oboe“ – in Erinnerung an das Denkmal der Unschuld, welches dem traditionsreichen Hirten-Instrument im „Traité d’instrumentation“ gesetzt worden war.

Johann Peter Pixis, Robert Schumann, Stanislas Verroust u.a.

„Berlioz’s Lost Oboe“

Christopher Palameta, Olivia Sham

Ramée/Note 1

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Und was ist mit Mozarts Gambe? Er hatte keine. Auch gibt es kein speziell für dieses Instrument bestimmtes Stück von ihm. Zumindest ist keins überliefert. Doch war er gut befreundet mit einem Gambenvirtuosen namens Joseph Fiala, außerdem hat Vater Leopold im Werk-Verzeichnis des Zwölfjährigen „verschiedene Solo … für das viola di gamba“ ­erwähnt. Der Gambist Thomas Fritzsch ist der Sache nachgegangen, er hat vier nicht-originale mozärtliche Arrangements eingespielt für sein Album „Mozart & Fiala – Amadé, mon ami“ (Rondeau/Naxos) und macht uns außerdem, unterstützt von Musikern der Merseburger Hofmusik, bekannt mit drei leider sturzlangweiligen Originalkompositionen von besagtem Freund. Immerhin: Es sind Ersteinspielungen, sauber exekutiert.

Joseph Fiala, Wolfgang Amadeus Mozart

„Mozart & Fiala – Amadé, mon ami“

Thomas Fritzsch, Axel Thielmann, Merseburger Hofmusik, Michael Schönheit

Rondeau/Naxos

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Die Cellistin Joanna Sachryn ist eine Ausdrucksmusikerin alten Schlags. Sie liest Notentexte zwischen den Zeilen, riskiert ein fein dosiertes Legato, auch rührende Portamenti, feurig angerissene Pizzicati. Paul Rivinius geht als Klavierpartner absolut konform mit dieser kontraststarken Lesart der Cellosonate d-Moll, op. 40 von Dmitri Schostakowitsch, brillant vor allem im marionettenhaften Rondofinale. Ein Werk, das, entstanden kurz nach der „Lady Macbeth von Mzensk“, zwar formal klassisch daherkommt; doch findet Sachryn hinter der Fassade auch den „Wahnsinn des Alltags“ im realen Sozialismus wieder, wie sie im Booklet des klugen Konzeptalbums bekennt (Edition Kaleidos/Klassik Center Kassel). Dazu kombiniert hat sie zwei Kammermusiken ihres polnischen Landsmanns Krzysztof Meyer, der ihr ein Mentor war, so, wie Schostakowitsch einst der seine. Meyer hatte 1979, als junger Mann, eine hymnische und vielgelesene Schostakowitsch-Biografie verfasst. Er war auch einer der ersten, die, in aller Vorsicht, den Fall „Chaos statt Musik“ kommentierten.

Dmitri Schostakowitsch, Krzysztof Meyer

Werke für Cello und Klavier

Joanna Sachryn, Paul Rivinius

Edition Kaleidos/Klassik Center Kassel

Eleonore Büning, 01.04.2023, RONDO Ausgabe 2 / 2023



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