home

N° 1356
04. - 10.05.2024

nächste Aktualisierung
am 11.05.2024



Startseite · Oper & Konzert · Pasticcio

Mit einem großbesetzten Orchesterwerk in Witten vertreten: Der Komponist Klaus Ospald © Angelika Leuchter

Pasticcio

Ein Abschied mit Zukunftspotential

Als 1969 in dem Ruhrgebietsstädtchen Witten erstmals ein Mini-Festival über die Bühnen ging, das sich ausschließlich der neuen Kammermusik verschrieb, ging Festivalleiter Wilfried Brennecke direkt in die Vollen. So präsentierte er Werke etwa für elektrisch manipulierte Blockflöten oder vokale Atem-Improvisationen, mit denen die Vorstellung von gepflegter Kammermusik ordentlich durcheinandergewirbelt wurde. 1990 trat Harry Vogt die Nachfolge von Brennecke an. Und auf die Frage, was er denn unter „Kammermusik“ verstehen würde, antwortete er: Alles, was zum Hin- und Nachhören zwingt.
Dieses offene Musikverständnis hat Vogt in seiner Funktion als Künstlerische Leiter und Neue Musik-Redakteur des mitveranstaltenden WDR in den letzten drei Jahrzehnten mit ungeheurem Leben gefüllt. Ob es nun ein 48-köpfiger Chor war oder ein Musiktheater-Projekt oder eine aufwendige Computer-Installation oder tatsächlich das klassische Streichquartett-Gespräch – Harry Vogt sorgte bei dem zumeist Ende April stattfindenden Drei-Tage-Festival ständig für neue Hörhorizonte. Wobei er nicht nur im eher unschmucken Saalbau neue und neueste Werke auch von allen namhaften Gegenwartskomponisten wie Helmut Lachenmann, Maurico Kagel und Karlheinz Stockhausen vorstellte. Vogt brachte die Wittener Tage für neue Kammermusik auch regelmäßig unter die Leute. Wobei gerade der Kagel-Schüler Manos Tsangaris besonders hervorstach. Sein Klang-Parcours „Ruhr-Musik“ entpuppte sich als musikalische Bootsfahrt. Und für sein Stück „Mauersegler“ verwandelte er eine Straßenbahn in einen mobilen Klangkörper.
Auch bei der 55. Ausgabe dieses Erst- und Uraufführungsfestivals ist Manos Tsangaris wieder zu Gast bzw. aktiv. Mit einer Hommage an das Radio nämlich. An drei aufeinanderfolgenden Tagen für jeweils zwei Stunden ist sein Stationentheater „Übertragung“ zu erleben, das im und um den Saal stattfindet. Wie Tsangaris dürfen aber gerade in diesem Jahr auch so manch andere Wittener Stammgäste wie das Arditti Quartet, das Klangforum Wien und die Neuen Vocalsolisten nicht fehlen. Denn sie alle haben Harry Vogts Wittener Zeit mitgeprägt – die mit der aktuellen Ausgabe vom 21.-23. April endgültig zu Ende geht . Bereits Ende 2022 hatte sich Vogt nach 33 Jahren als Künstlerische Leiter verabschiedet. Doch wenngleich Patrick Hahn nun das Amt ausfüllt, so trägt doch das Programm von 2023 ein letztes Mal Vogts Handschrift.
19 Uraufführungen in 10 Konzerten stehen diesmal auf dem Programm. Dazu zählt eine Konzertinstallation von Christian Mason genauso wie Klaus Ospalds „Escríbi...“ für Orchester, Kontrabass und Akkordeon mit Teodoro Anzellotti, Ericson Ruiz und dem WDR Sinfonieorchester. Beim Newcomer-Konzert präsentierten sich in Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität der Künste und der Internationalen Ensemble Modern Akademie hochkarätige Talente. Das Quatuor Diotima hebt Werke von Márton Illés und Bastien David aus der Taufe. Und das Komponistenporträt ist diesmal der ehemaligen Kagel-Schülerin Carola Bauckholt gewidmet.

Guido Fischer



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Steckenpferd

Steckenpferd – Daniel Müller-Schott

Sprühender Charme

Ein Star-Cellist, der die Ruhe liebt? Kaum vorstellbar – und doch geht Daniel Müller-Schott […]
zum Artikel

Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Alte Musik-Pionier **Sigiswald Kuijken**, dessen Ensemble La Petite Bande in diesem Jahr 50 wird, […]
zum Artikel

Café Imperial

Unser Stammgast im Wiener Musiker-Wohnzimmer

Die Aufführungsflut zum 100. Geburtstag von Leonard Bernstein wurde von Kritikern bestöhnt, […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Die „Études-Tableaux“ op. 39 von Rachmaninow sind bekannt für ihre düstere Atmosphäre und gelten als eine der modernsten Kompositionen des Komponisten. Entstanden sind sie im Jahr 1917 kurz vor seiner Flucht in die USA, aufgrund ihrer virtuosen Schwierigkeiten stellen sie eine Herausforderung für jeden Pianisten dar. Nikolai Obuchows „Six Tableaux psychologiques“ von 1915 wiederum zeigen Einflüsse von Alexander Skrjabin und präsentieren sich als komplexe und vielschichtige […] mehr


Abo

Top