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27.04. - 03.05.2024

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Im Taumel der Zwanziger. 1923: Musik in einem Jahr der Extreme

Tobias Bleek

Ob sich am 29. Oktober 1923 um 20 Uhr etwa ganze ­Familien vor einem kleinen Kasten­ ver­sammelt hatten, um einer mediengeschichtlichen Sensation beizuwohnen, dürfte eher fraglich sein. Denn wahrscheinlich hatten die wenigsten das Geld, um sich ein Radio zu leisten, mit dem ein neues Zeitalter eingeläutet wurde. Um 20 Uhr jedenfalls begann man in Berlin zu senden. Eine Stunde lang konnte man da einer Musiksendung lauschen, die von Mozart bis Schumanns „Träumerei“ erstmal gediegene Klassikkost bot. Dieser Tag darf dementsprechend auch nicht in Tobias Bleeks etwas anderen Chronik eines Jahres fehlen, in dem vor genau einem Jahrhundert allerhand los war und losgetreten wurde. Nicht nur in der Musik, sondern in einer Zeit, in der es auch politisch hoch her ging. Statt aber jetzt das „Jahr der Extreme“ minutiös und quasi im Stile eines Tagebuchs unter die Lupe zu nehmen, präsentiert Bleek markante und spannend nacherzählte Ereignisse. Dazu gehören etwa die legendären Uraufführungen von Strawinskis „Les noces“ in Paris oder Bartóks „Tanz-Suite“. Schönbergs Zwölfton-Provokationen fehlen da genauso wenig wie die Eroberung des amerikanischen Schallplattenmarktes durch die Blues- und Jazz-Heroen Bessie Smith und Louis Armstrong. 1923 wurde auch jener Bärenreiter-Verlag gegründet, in dem jetzt dieser Band erschienen ist. Zudem wirft Bleek einen Blick ins französisch besetzte Ruhrgebiet, wo man mit entsprechenden Hymnen und Gesängen zunächst passiven Widerstand leistete. Diese musikalische Jahrhundertreise entpuppt sich als ganz schön aufregend.

Tobias Bleek

Im Taumel der Zwanziger. 1923: Musik in einem Jahr der Extreme

Bärenreiter / Metzler, ISBN 9783761825198, 315 S., € 29,99

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Guido Fischer, 10.06.2023, RONDO Ausgabe 3 / 2023



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