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N° 1355
27.04. - 04.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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„The Greek Passion“ bei den Salzburger Festspielen (hier: Dölle, Bretz, Schmidlechner, Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor) (c) Monika Rittershaus

Da Capo

Salzburg (A), Salzburger Festspiele – Bohuslav Martinů: „The Greek Passion“

Überraschungsopernhit

Nach vier eher gestrigen Operndeutungsversuchen mit Loy, Kušej, Warlikowski und Marthaler kommt bei den Salzburger Festspielen mit dem 38 Jahre alten Simon Stone der jüngste im Männer-Regiequintett zum Zuge. Auch der ist schon zum dritten Mal da, aber hat für Bohuslav Martinůs packende „Greek Passion“ seine bisweilen auch lästigen Attribute, Überschreibungen, die Drehbühne und seine vielen, sehr vielen Videos zu Hause gelassen.
Lizzie Clachan hat ihm in die mal schwierige, mal überwältigende Salzburger Felsenreitschule hohe, schmucklos grauweiße Wände und einen ebensolchen Boden hineingebaut. Ein monströser Raum der Neutralität. Der am Ende freilich verletzt ist. Denn dann haben, im Namen der Mehrheit, drei an Seilen heruntergelassene Maler „Refugees out!“ an die Mauern geschrieben. Das steht so da, in Orange, als böses Fanal. Und drunter liegt der wiedererstandene Christus in seinem Blut, von Judas ermordet auf Befehl des Priesters. Das sieht ein wenig aus wie Oberammergau und das soll auch so sein. Dazu hat die versammelte Gemeinde aus Tätern und Opfern versöhnliche Kirchenhymnen gesungen. Die Heimatlosen verlassen jetzt diesen Ort, wo sie nicht willkommen waren. Und das Licht erlischt. Großer betroffener Beifall.
Das unbekannteste Werk der fünf Opernpremieren, die Geschichte eines griechischen Dorfes, das die Passion Christi zu Ostern spielen will, aber keine Nächstenliebe für geflüchtete Landsleute aus der Türkei entwickeln kann, es traf durch seine raffinierte Schlichtheit. Und durch ein sehr gutes Ensemble, angeführt vom klaren Tenor Sebastian Kohlhepp, der das Kunststück fertigbringt, zugleich nazarenerhaft süßlich und doch distanziert neutral zu klingen, diesen arg simplen Charakter überzeugend zu spielen und trotzdem neben ihm zu stehen. Dazu der grandios atavistische Wiener Staatsopernchor und die von Maxime Pascal unermüdlich mit langen Armschwüngen nicht nur dekorativ animierten, höchst plastisch wie temperamentreich aufspielenden Wiener Philharmoniker. Dieser Abend ging unter die Zuschauerhaut.

Manuel Brug, 09.09.2023, RONDO Ausgabe 4 / 2023



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