Startseite · Oper & Konzert · Hausbesuch
Christian Thielemann (c) Matthias Creutziger
„Die Staatskapelle Dresden – oder vornehmer: die Sächsische Staatskapelle Dresden – ist etwas Besonderes, das lässt sich auch heute noch unmittelbar verstehen. Hier wird feiner gefaltet, seidiger gesponnen und mehr gezaubert als anderswo. Wagner, der hier Hofkapellmeister war, nannte das Orchester bekanntlich seine „Wunderharfe“. Er hat Recht. Einfacher ausgedrückt: Dieses Orchester kann überhaupt nicht zu laut oder gar brachial werden. Ein höheres Lob lässt sich grundsätzlich kaum finden.
Liebevoll, ja zärtlich besinnt man sich in Dresden denn auch auf die 475 Jahre zurück, die dieses Orchester schon besteht. Man hat nicht übersehen, dass parallel dazu gerade 100 Jahre Aufnahme-Geschichte angefallen sind. Die 10-CD-Box mit exemplarischen Einspielungen und Mitschnitten seit 1923 lässt fast keinen Chefdirigenten aus. Nicht mal Mitläufer wie Karl Böhm oder NSDAP-Mitglieder wie Karl Elmendorff. Nur der offenbar zu kurz da gewesene Lovro von Matačić wurde übersprungen. Dafür sind auch blässlichere Stelleninhaber wie Martin Turnovský, Hans Vonk und Fabio Luisi getreulich vertreten. Die Dresdner, sie vergessen nichts.
Wichtigster Repertoire-Schwerpunkt: Richard Strauss. Als Gastdirigent ist er sogar selbst vertreten mit einem „Don Quixote“. Der betreffende Mitschnitt aus London (1936) lohnt allein schon die ganze Anschaffung. Und zwar deswegen, weil man die Kunst nacherleben kann, „Fünfe gerade sein zu lassen“. Strauss war offenbar kein Pedant bei dieser auf „19 erwärmten Wachsplatten“ aufgezeichneten Abendleistung. Ein Solist ist nicht angegeben.
Ganz erstaunlich, immer noch, welche Organik, Flüssigkeit, ja Lässigkeit der Dirigent Fritz Busch mit den Dresdnern evozieren konnte. In Verdis Ouvertüre zur „Macht des Schicksals“ (1926) wird er gar nicht übermäßig knackig oder aggressiv, wie man das heute kennt. Umso bestrickender, unheroisch charmanter bleibt er auf dem Boden.
Rudolf Kempe ist mit der „Rosenkavalier“-Einleitung und Daphnes Verwandlung mit von der Partie. Franz Konwitschny dirigiert „Till Eulenspiegel“, Otmar Suitner Mozart und Smetana. Von Herbert Blomstedt gibt es eine erstaunlich spontan wirkende Vierte von Bruckner und das „Te Deum“ von Johann Gottlieb Naumann (mit dem Chor der Sächsischen Staatsoper Dresden, 1980 im Kulturpalast). Andere, verdiente Chefs wie Giuseppe Sinopoli (mit Brahms II) und Sir Colin Davis (Elgar I) werden hingegen mit weniger zwingenden Werken abgefunden.
Die Auswahl endet mit einer Wagner-CD unter Christian Thielemann („Das Liebesmahl der Apostel“, „Götterdämmerung“-Ausschnitte mit Anja Kampe). Ein Schelm, der Böses dabei denkt (und Zwietracht wittert). Letztendlich fungieren die vom Deutschen Rundfunkarchiv kommenden, im dicken Booklet aufwendig begleiteten Einspielungen als Fingerzeig auf die größten Leistungen dieses Orchesters; so etwa auf den integralen Strauss-Zyklus unter Kempe (Warner), die frühen Aufnahmen von Karl Böhm und noch mehr von Fritz Busch (Profil). Die „Wunderharfe“, sie macht immer noch verwundern. Und steht einzig da.
Kai Luehrs-Kaiser, 14.10.2023, RONDO Ausgabe 5 / 2023
Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne
Einen Anfall von Gehässigkeit haben Klarinettistin Sabine Meyer und ihr Ehemann, der Klarinettist […]
zum Artikel
Nie mehr betteln
Mit dem Vienna Art Orchestra schuf der Komponist und Pianist Meilensteine des europäischen Jazz. […]
zum Artikel
Auf Mozarts Griffbrett
Der Geiger hat die Violinkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart erstmals auf dessen eigenem […]
zum Artikel