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27.04. - 03.05.2024

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am 04.05.2024



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Künstlerisches Gespür, verbindlicher Umgang: Prof. Franz-Xaver Ohnesorg † © Peter Wieler/Klavierfestival Ruhr

Pasticcio

Mann der Tat, Freund der Musik

Es war Anfang April 1999, als sich eine Sensation anbahnte. Keiner hatte es mehr für möglich gehalten, dass der damals größte lebende Geiger jemals noch einmal offiziell nach Deutschland kommen würde. Aber nun war Isaac Stern tatsächlich da. Und zwar in Köln, wo er zwar kein Konzert, aber immerhin einen mehrtägigen Meisterkurs gab. Dass Stern damit sein Versprechen brechen sollte, nie wieder im Land aufzutreten, in dem Millionen Juden ermordet wurden, lag an einem Mann: Franz Xaver Ohnesorg. Auch in New York hatte man von diesem so erfolgreichen Intendanten der von ihm eröffneten Kölner Philharmonie gehört. Und Isaac Stern wollte ihn nun unbedingt für den vakanten Intendanten-Posten der Carnegie Hall haben. Ohnesorg war nicht abgeneigt. Doch er stellte Stern eine Bedingung: Ich komme rüber, wenn Sie nach Deutschland kommen. Deal.
Der Musikmanager Franz Xaver Ohnesorg beherrschte sein Handwerk aber nicht nur mit allen erlaubten Tricks. Der Mann mit der Fliege (sein ultimatives Erkennungszeichen) besaß dieses offenherzige Wesen, vor dem selbst Zeitgenossen, die als eigenwillig verschrien waren und sind, vor ihm kapitulierten. Als Intendant der Münchner Philharmoniker konnte er Sergiu Celibidache als Chefdirigenten gewinnen und damit eine Ära einläuten. Und in seiner zweiten Lebensstellung als Intendant des Klavier-Festivals Ruhr hatte er selbst zu der etwas schwierigen Martha Argerich einen derart guten Draht, dass sie immer und immer wieder hier auftrat.
Nach unzähligen Konzerten, die Ohnesorg in verantwortlicher Position organisiert hatte, wollte er jetzt am 31. Dezember 2023 in den Ruhestand gehen. Und die Nachfolge für das Klavier-Festival Ruhr war dementsprechend längst geregelt. So hat unlängst seine Nachfolgerin Katrin Zagrosek schon so manche Pläne für ihre erste Saison 2024 verraten. Nun dürfte auch sie mit großer Trauer die Nachricht aufgenommen haben, dass Ohnesorg völlig unerwartet im Alter von 75 Jahren verstorben ist. Aus dem großen Konzertabend, mit dem er sich am 25. November in der Essener Philharmonie von seinem Publikum verabschieden wollte, wird nun ein Gedenkkonzert, bei dem auch Martha Argerich, Anne-Sophie Mutter und Lang Lang sich an einen engen Freund erinnern werden.

Reinhard Lemelle



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