home

N° 1355
27.04. - 07.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



Startseite · Oper & Konzert · Da Capo

Christiane Karg (c) Gianmarco Bresadola

Da Capo

Staatsoper Unter den Linden, Berlin – Antonín Dvořák: „Rusalka“

Mitleid mit dem Engerling

Mitleid mit dem Engerling

Es gibt merkwürdige Abende. Am Ende nichts als Jubel. Und dann hagelt’s Verrisse. So begab es sich zur Premiere von Antonín Dvořáks „Rusalka“ in Berlin. Die Sängerin Christiane Karg wurde für ihre Leistung als Wassernixe, die – in der Inszenierung von Kornél Mundruczó – in einen riesigen, eklig-schwarzen Engerling verwandelt wird, zum Schluss bewundert. Rasch vergessen waren die blöde Wohnküche ohne Naturbezug (Bühne: Monika Pormale). Vergeben auch der böhmische Prinzen-Knödel, den Pavel Černoch als Angebeteter in der Kehle hat. In den Rezensionen freilich wurden die hässlichen Rechnungen alle wieder aufgemacht. Am schönen, unvergesslichen Ende der Aufführung ändert das nichts.
Entscheidender Moment: Die entstellte Rusalka, nachdem sie sich in ein grässliches Ungeziefer verwandelt hat (das Kafka-Jahr lässt grüßen), wird vom Prinzen nicht einmal wiedererkannt. „Erkennst du mich nicht, Geliebter?“, singt Christiane Karg zum Gotterbarmen rührend. Und schafft so ein Bild unser aller Urangst: Wir könnten dereinst womöglich so entstellt sein, dass selbst die am meisten geliebten Menschen, deren wir am sichersten zu sein glaubten, uns nicht mehr wiedererkennen. Fürchterlich. Dies war der Augenblick, in dem die Publikumsablehnung kippte. Und dem baumschiefen Konzept doch noch Herzen zuflogen. Natürlich fehlt Karg ansonsten für die romantische Rolle ein bisschen Lyrik, ein bisschen Weichheit und stimmliche Fülle.
Geschenkt, dass Mika Kares einen sehr guten Wassermann von alphornhafter Sonorität singt und dabei fast doppelt so groß ist wie die trollhaft kleine und zarte Rusalka. Anna Kissjudit birgt als Ježibaba nicht den kleinsten Brustton im tiefsten Register. Toll. Im Graben ist Robin Ticciati mit seiner Vorliebe für warm tim­brierte Dramatik genau recht am Ort. Wenn die Staatskapelle unter ihrem künftigen Chef Christian Thielemann so weitermacht (Mutter Thielemann saß im Publikum), so macht ihr den Rang direkt hinter den Berliner Philharmonikern keiner streitig. Zumindest in Berlin.

Kai Luehrs-Kaiser, 30.03.2024, RONDO Ausgabe 2 / 2024



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Gefragt

Nils Landgren

Schätze aus dem Bernsteinzimmer

Amerikanischer Klassiker mit schwedischem Einschlag: Der Posaunist Nils Landgren spielt und singt […]
zum Artikel

Pasticcio

Gefrorene Zwölftonmusik

Das österreichische Architekturbüro Coop Himmelb(l)au hat erst zu Beginn des Jahres wieder für […]
zum Artikel

Festival

Musiktage Mondsee

Hommage à Debussy

In der Salzkammergut-Idylle findet im Sommer einmal mehr das hochkarätig besetzte […]
zum Artikel


Abo

Top