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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Wolfgang Amadeus Mozart

Klavierkonzerte Nr. 20 d-Moll KV 466 und Nr. 17 G-Dur KV 453

Piotr Anderszewski, Scottish Chamber Orchestra

Virgin/EMI 344 696-2
(63 Min., 11/2005) 1 CD

Seit der auch filmisch dokumentierten Arbeit Piotr Anderszewskis an Beethovens Diabelli-Variationen kennt man den 35-jährigen Polen als einen der feinsinnigsten Anschlagskünstler und unkonventionell subjektivsten Analytiker unter den jüngeren Pianisten. Und damit, der plakativen Etikettierung zum Trotz, auch als Romantiker. Dass man diese Attribute nun in seiner Mozart-Einspielung (in Personalunion von Pianist und Dirigent) wieder findet, macht diese zum sensualistischen Hörgenuss - einerseits; andererseits stellt sich die stilistische Frage: Wie viel Romantik verträgt Mozart?
Klugerweise wählte Anderszewski zwei Konzerte, die seinem romantisierten Mozart-Bild entgegenkommen. Mit dem im Februar 1785 konzipierten d-Moll-Werk, welches mit aufwühlend synkopisch vorwärts drängenden Streicherfiguren beginnt, vollzog Mozart bekanntlich einen fulminanten Gattungsbruch: weg von der gefälligen (bei Mozart gleichwohl immer auch geistvollsten) Unterhaltung hin zum subjektiv gefärbten Schaffen, das statt Konventionen dem zerrissenen, dunkel-leidenschaftlichen Innenleben (des romantischen Künstler-Genies) verpflichtet war. Bezeichnenderweise liebte Beethoven dieses Mozart-Opus vor allen anderen und schrieb zwei Kadenzen dafür (von denen Anderszewski diejenige des Kopfsatzes übernimmt).
Bei aller Prägnanz, die im fabelhaft homogen agierenden Schottischen Kammerorchester vorwaltet: Mozarts Dämonen, der drohende, objektive Schicksalssog, der etwa der Don-Giovanni-Höllenfahrt zugrunde liegt, ist Anderszewskis Sache nicht. Vielmehr spricht hier ein subtil argumentierender Anwalt einer fragilen, mitunter ängstlich fragenden Seele, die immer wieder im Klavierpart - verstanden als direkter, dynamisch höchst kontrastreicher Gegenpol zum Orchestersatz - zu Wort kommt. Zahlreiche kleine Rubati und Accellerandi sowie nuancierteste Piano- und Pianissimo-Schattierungen zeigen: Anderszewskis d-Moll-Mozart ist ein (früh-)romantischer Seelendeuter par excellence.
Und auch das "an sich" weitgehend unbeschwerte G-Dur-Konzert offenbart eine ungewöhnlich feinnervige Innenschau, die quasi auf der Suche nach Moll-Eintrübungen ist. Im Zentrum steht dabei - wen wundert‘s - das fast zwölfminütige Seelendrama des Andante, dessen Kadenz Anderszewski geradezu zelebriert und mit (allzu?) vielen Generalpausen bedeutungsschwer auflädt. Eine überzogen subjektive Mozart-Sicht? Sieht man von den übertriebenen, geradezu atavistisch ins 19. Jahrhundert gehörenden Schluss-Ritardandi aller vier Ecksätze ab, so ist dieses Mozart-Spiel zumindest höchst diskutabel, erst recht auf dem Niveau einer solch hoch sensibilisierten Spielkultur.

Christoph Braun, 01.09.2007


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