In letzter Zeit haben Alte Musik-Globetrotter wie Dirigent Leonardo Garcia Alarcón oder der Gambist Fahmi Alqhai immer wieder das reiche Musikleben der Neuen Welt erkundet, das im 15. und 16. Jahrhundert vor allem auf das Konto spanischer Kirchenmänner und Eroberer ging. Die hatten an Bord ihrer Flotten Komponisten bzw. Partituren mit wertvoller geistlicher Musik geladen. Dass auch ein Christoph Kolumbus bei seinen abenteuerlichen Expeditionen etwa in Richtung Kuba Motetten und Messen dabei hatte, wäre daher durchaus möglich. Denn laut dem flämischen Vokalensemble-Leiter Paul van Nevel war Kolumbus ein Musikliebhaber erster Güte.
Als Beleg für diese (nicht unbedingt faktenbasierte) These hat van Nevel denn nun ein Programm aus weltlichen und geistlichen Gesängen zusammengestellt, die der Entdeckungsreisende unter Garantie in seiner italienischen Heimat und späteren spanischen Wahlheimat gehört haben mag. Da erklingt gleich zu Beginn ein auch in Genua populäres, durchaus zweideutiges Volkslied aus dem späten 15. Jahrhundert, bei dem Schornsteinfeger von der Dame des Hauses nicht nur mit kulinarischen Leckereien verwöhnt werden. Von einem homophonen Gesang Tromboncinos, der bei den Damen und Herren von van Nevels Edel-Truppe Huelgas Ensemble gänsehautgleich dahinschwebt, geht es dann in die Metropolen des spanischen Königreichs. Und ob es da intime a-cappella-Stücke des aragonesischen Sängers Francesco de la Torre sind, kunstvoll gestaltete Messsätze eines Alexander Agricola oder eines Marbrianus de Orto – Paul van Nevel ist bei seiner Recherche für das musikalische Porträt „The Ear Of Christopher Columbus“ durchweg auf klingende Edelsteine gestoßen, deren Farben und Nuancen vom Huelgas Ensemble einfach sinnenbetörend zum Leuchten gebracht werden.

Guido Fischer, 06.07.2019

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