CDM/Note 1 CDM 2048
(59 Min., 5/2019)
Innerhalb der liturgisch-musikalischen Gattung der „Lamentationes“, also der musikalisierten Klagelied-Lesungen für die Matutinen der drei Kartage, sind besonders im 15. und 16. Jahrhundert zahlreiche höchst beeindruckende Werkzyklen entstanden: Die Dunkelheit der frühmorgendlichen Stundengebetsfeiern in kirchenjährlich finsterster Zeit spiegelt sich wider im „ombroso“ jener Stücke. Die beklemmenden Bilder der Texte, die um die Zerstörung und Verwüstung Jerusalems und die Not der Bewohner kreisen, finden ihre Entsprechung in den schmerzlichen Dissonanzbildungen, von denen die Musik durchzogen ist. Die Lamentationen von Cristobál de Morales, der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gelebt hat, stehen im Zentrum des auf der iberischen Insel entstandenen Teil des Werkbestandes. Ihre Schönheit ist einzigartig. Hinzu kommt in der vorliegenden Aufnahme die Besonderheit einer colla-parte-Begleitung der eigentlich traditionell a cappella zu singenden Musik durch spezielle Violen (vihuelas de arco), die sich offenbar durch eine historische Quelle belegen lässt. Freilich bringt das Miteinander von Streichen und Singen neue Herausforderungen an die Intonationsreinheit mit sich, wie man hier und da bemerkt. Insgesamt jedoch gelingt den Sängern und Instrumentalkräften eine ausdrucksstarke, differenzierte Version, die ein tiefes Verständnis der Beteiligten für diese besondere Art der Polyphonie erahnen lässt und den CD-Katalog maßgeblich bereichert.
Michael Wersin, 20.06.2020
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