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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Pierre Henry

„Galaxie“ (Werke elektronischer Musik)

Pierre Henry u. a.

Decca/Universal 002894855652
(858 Min., 1962–2017) 13 CDs

Da staunte das Pariser Konzertpublikum nicht schlecht, als es am 18. März 1950 in der École Normale de Musique Platz genommen hatte. Denn von Musikern aus Fleisch und Blut war den ganzen Abend nichts zu sehen. Stattdessen drangen nun ausschließlich aus Lautsprechern merkwürdig verfremdete Alltagsgeräusche wie Geschirrgeklapper, Telefonklingeln sowie das Rattern einer dampfenden Lokomotive. „Symphonie pour un homme seul“ hatten die beiden französischen Tonbastler Pierre Schaeffer und Pierre Henry ihr Gemeinschaftswerk getauft, das nicht nur als das erste Klangmanifest der „Musique Concrète“ gilt. Diese Art des elektroakustischen Recyclings eben auch vertrauter Soundwelten sollte später unter dem Zauberbegriff „Remix“ in der Popmusik schwer in Mode kommen. Doch speziell Pierre Henry, der 2017 im Alter von 89 Jahren verstarb, wurde dafür nicht nur von der Szene gefeiert. Er remixte bzw. re-komponierte in seinem Pariser Studio gleichfalls regelmäßig die Musikgeschichte. Berühmt ist seine Collage aller Beethoven-Sinfonien. Doch in der ihm jetzt gewidmeten Box „Galaxie“ findet sich gar eine „Odyssée“ durch Bachs „Kunst der Fuge“, die sich peu à peu zu einem großen sphärischen Wesen ausdehnt und dabei Einflüsse aus der arabischen Welt- und der Rockmusik einsaugt. Und selbst die musikhistorische Ikone „Symphonie pour un homme seul“ unterzog Henry 2010 einer Neubelichtung.
Überhaupt bietet diese umfangreiche CD-Hommage auch über bislang unveröffentlichtes Material zahlreiche Überraschungen. Da taucht man hinein in eine über zweistündige Feier der „Johannes-Offenbarung“, bei der sich der Rezitator mit magisch-geheimnisvollen Signalen, statisch dröhnenden Frequenzen und sanft sich windenden Farbwellen abwechselt. Mit „Dracula“ würdigte Henry 2002 den „Wagner des Lärms“ und schleuste dafür natürlich auch so manch markante Tonspuren etwa aus dem „Ring“ ein. Und neben den Auftragskompositionen, die Henry etwa für den Choreographen Maurice Béjart schrieb, dürfen auch seine Flirts mit der hämmernden Clubmusik, mit dem Hip-Hop sowie flippigem Retro-Rockjazz nicht fehlen, der sich bestens für die Partys auf dem „Raumschiff Orion“ geeignet hätte.

Guido Fischer, 15.05.2021


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