Der Titel ist Programm. Für „My Choice“ wählte der Gitarrist Noël Akchoté fünfzehn Titel aus jenen Alben aus, die er 1996 bis 2008 für das Münchner Label Winter & Winter eingespielt hat. Solo, Solo-Playback und im Duo mit dem Gitarristen Marc Ducret konzentriert er die Stücke auf ihren rohen Kern. Künstlicher Hall oder lang schwingende Töne haben in diesem Konzept nichts verloren. Hart und metallisch klingen die Saiten. Sie sirren und jaulen, sie zirpen schrill und sie mümpfeln stumpf. Zudem wird den Tönen meist kein Hall beigemischt: Noch ein Grund, weshalb Stücke wie Ornette Colemans „Street Woman“ oder Carole Kings „The Loco-Motion“ und andere karg wirken.
Einer geschickten Dramaturgie folgend, mischt Akchoté zwischen diese Gitarrennummern mit kleinen Besetzungen eingespielte Ausschnitte aus den Hörfilmen „Au Bordel“ und „Cabaret Modern“. In diesen Soundtracks ohne Bilder versetzen Atmosphäre und Abmischung in imaginäre Räume mit Publikum und Nebengeräuschen. Von einem düsteren Tango ummantelt, verwandelt Sasha Andres mit rollendem „rrr“ den Zarah-Leander-Hit „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“ in eine böse Karikatur auf die Seligkeit der NS-Propaganda-Schlager. Bei Serge Gainsbourgs „SS in Uruguay“ hingegen lenkt eine morbide Schlagerseligkeit davon ab, dass der Text von der Flucht von Nazischergen nach Uruguay handelt. In „True Love Will Find You In The End“ erinnert eine Rhythmusmaschine an das Equipment schlechter Alleinunterhalter, während „A l’Alcazar“ Kabarettstimmung erzeugt. Paolo Contes „Via Con Me“ behält im Gegensatz dazu viel von der Originalatmosphäre. Schön, dass Noël Akchoté diesem zweiten Aspekt seines Schaffens gebührenden Raum auf dem Selbstporträt eingeräumt hat.

Werner Stiefele, 12.06.2021

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