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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Squint

Julian Lage

Blue Note/Universal 3552151
(45 Min., 8/2020)

Das Wunderkind, das mit acht Jahren Gegenstand eines oscarnominierten Kurzfilms war, wohnt immer noch in Julian Lages Fingern. Das zeigt zumindest der Auftakt seines Blue-Note-Debüts „Squint“. Da spielt der inzwischen 33-Jährige auf seiner wohlig warm klingenden Hollow-Body-Gitarre eine „Etude“, von denen sich andere möglicherweise eine Sehnenscheidenentzündung holen würden. Bei Lage klingt die komplexe Akkordarbeit allerdings so leicht und so nahbar wie ein Kinderspiel.
Der kalifornische Gitarrist hätte es aber nicht auf eine derart umfangreiche Diskografie an der Seite von Charles Lloyd, John Zorn oder Fred Hersch gebracht, wenn er bloß ein mechanischer Virtuose wäre. Und deshalb ist es auf „Squint“ auch schnell vorbei mit der gediegenen Meisterklassen-Stimmung. Gemeinsam mit dem Kontrabassisten Jorge Roeder und Schlagzeuger Dave King trampt Lage die staubigen Seitenarme des Jazz-Highways entlang. Man macht Halt kurz hinter New Orleans Station in einem Blues-Schuppen („Booʼs Blues“), trinkt in Memphis mit ein paar Rockabillys gut gelaunt Dosenbier („Twilight Surfer“) und landet beim Heraushalten des Daumens immer wieder in einem Truck, dessen Radiosender auf Country eingestellt ist.
Das mag daran liegen, dass das Album in Nashville aufgenommen wurde. Oder auch daran, dass sich Lage beim Schreiben seiner liedhaften Instrumental-Kompositionen „Saint Rose“, „Day and Age“ und „Quiet Like a Fuse“ von Jeff Tweedy, dem Frontmann der Alternative-Country-Band Wilco, beraten ließ. Fest steht jedenfalls, dass Lage mit hörbarem Spaß seine Spielkultur und seinen Jazzgitarren-Sound mutwillig verrohen lässt. Das kommt eben davon, wenn man einen Drummer wie Bad-Plus-Gründungsmitglied Dave King an seiner Seite hat – dem ist jegliches falsches Pathos fremd. Selbst bei einem trauten Jazzballaden-Klassiker wie „Emily“ klingt er an den Besen so, als fege er wie ein unwilliger Hausmeister den Boden in einem dreckigen Saloon.
Wenn das Trio mit der durch den „singenden Cowboy“ Gene Autry populär gemachten Nummer „Call of the Canyon“ in den Sonnenuntergang schlendert, ist auf jeden Fall gewiss: Das Wunderkind ist zu einem Mann geworden, der kein Duell mit Outlaws wie Bill Frisell scheuen muss.

Josef Engels, 17.07.2021


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