Mirare/hm MIR 540
(57 Min., 3/2020)
Es ist eine Art Vorausblick auf die „nationalen Schulen“ des späteren 19. Jahrhunderts: Schon die „Klassiker“, namentlich Haydn und Beethoven, zeigten sich fasziniert von volkstümlichem Melodiengut. Angetan hatten es ihnen vor allem die Weisen von den britischen Inseln. 179 solche Lieder hat Beethoven in ebenso einfache wie wirkungsvolle Sätze gefasst, rund 70 davon sind irische Tunes. Aus letzteren hat Philippe Pierlot einige ausgewählt, hat sie für diese Aufnahme bearbeitet (zum Beispiel bewirkt die Hinzunahme einer Fiddle eine Art „Re-Ruralisierung“). Interessant – und besonders an der Programmierung dieses Albums – ist die Hinzunahme von „echter“ Volksmusik, darunter neben gälischen Liedern auch ein schwedisches. Diese erweiterte Anlage ist für sich genommen reizvoll, wirft aber auch ein Licht auf die Problematik des klassisch-professionellen Umgehens mit Volksmusik: Beethovens Bearbeitungen machen die Lieder natürlich zum Kunstwerk, wenn gleich bewusst mit bescheidenen Mitteln, und die Interpretation durch klassische Künstlerinnen und Künstler bringt immer die Gefahr des Volks-Tümelns mit sich – so ist zum Beispiel fraglich, ob Maria Keohanes Bruststimm-Einsatz und die bewusst leicht zu tiefe Intonation gleich im ersten Beethoven-Lied („The pulse of an Irishman“) wirklich adäquate Gestaltungsmittel zur Umsetzung des Volksgut-Aspektes sind: Freilich wirken solche Effekte bei Pierlot und seinem Ensemble nicht mehr so zopfig wie ehemals etwa bei Fischer-Dieskau, der auch für Auftritte mit solchem Repertoire nicht auf den Frack verzichtet hat und seine Effekte stets nur im Habitus des Cantor doctus zu setzen wusste. Aber auch schon das geschniegelte Timbre einer wirklichen schönen klassischen Stimme und die künstlich darübergestülpten Merkmale des Wirtshausgesangs stehen durchaus in einem Spannungsverhältnis zueinander. Ein interessantes Unterfangen, das unterhält und zum Nachdenken anregt.
Michael Wersin, 16.10.2021
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