Er galt mal als ein Wunderkind. Das war 2013. Inzwischen ist der auf Bali geborene und in New York lebende Joey Alexander 19 Jahre alt, also kein Kind mehr, wohl aber ein reifer Bandleader und Pianist, der mit den bedeutendsten Kollegen der Gegenwart ins Studio geht. Immerhin waren am Album „Origin“ der Kontrabassist Larry Grenadier und der Schlagzeuger Kendrick Scott beteiligt. Als Gäste stießen außerdem in insgesamt vier Titeln der Gitarrist Gilad Hekselman und der Saxofonist Chris Potter hinzu.
Eine solche Band könnte sich in All-Star-Gedudel ertränken. Tut sie aber nicht. Joey Alexander hat seinen prominenten Mitstreitern Noten auf die Pulte gelegt, die sie fordern und inspirieren. Er gliedert seine Kompositionen in organisch aufeinander folgende Abschnitte mit markanten Akkorden, rasanten Läufen, schwebenden Passagen, Druck und Entspannung. Dabei protzt er nicht mit seinem virtuosen Können. Seine Finger laufen einfach über die Tasten, bringen den Flügel zum Klingen, harren inne, drehen die Richtung, warten ab. Sie unterstützten Potter dabei, in „On the Horizon“ die Sonne aufgehen zu lassen, und Hekselmans Gitarrenlinien in „Summer Rising“ Aufbruchstimmung zu schaffen.
Auch in den Quintettstücken „Winter Blues“ und „Rise Up“ nimmt sich Joey Alexander so weit zurück, dass Hekselman und Potter über weite Strecken im Vordergrund stehen. Diese Quartett- und Quintettnummern unterbrechen die Folge der vom Trio gespielten Stücke. In ihnen zeigt sich seine wahre Meisterschaft, indem er wie die großen Pianisten früherer Generationen Stimmungen gestaltet. In „Remembering“ kehrt eine markante Wendung in immer wieder neuer Form wieder. „Dear Autumn“, „Promise of Spring“ und „Hesitation“ wirken verträumt und die „Midnight Waves“ rollen sanft ans Ufer. Der Mann musiziert mit seinem Trio reifer, als es seine 19 Jahre vermuten lassen.

Werner Stiefele, 04.06.2022

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