Die Pandemie warf alles durcheinander. Ursprünglich wollte der Saxofonist Christoph Irniger neue Stücke für seine Band Pilgrim schreiben, doch dann kam der Lockdown. Da ihn andererseits die Arbeit für eine Big Band schon lange gereizt hatte, packte er die Entwürfe in ein neues, üppigeres Gewand, zu dem ihn vor allem die energiegeladenen Arrangements des Thad Jones/Mel Lewis Orchestra inspiriert hätten.
So steht es im Pressetext. Auf der Disc ist vor allem der Einfluss des Arrangeurs Bob Brookmeyer zu spüren, der vor allem in seinen späteren Arbeiten die Energie der großen Besetzung in eine Fülle von überlappenden Einzelstimmen auflöste und über Breaks und Neustarts Spannung erzeugte. Doch Irninger wäre nicht er selbst, wenn er nun diese Rezepte schlichtweg kopieren und das Swiss Jazz Orchestra zum Klon der 1978 aufgelösten Formation umgestalten wollte.
Was ihn tatsächlich mit Thad Jones und Bob Brookmeyer verbindet, ist die Freiheit im Denken und die Fülle an Klangfarben. Gegen alle Konventionen leitet er den Opener der Disc, „Where Is Walter“, mit einem eineinhalbminütigen Kontrabass-Schlagzeug-Duo ein, setzt spitze Bläser drauf und legt erst eine weitere Minute später mit Bigband-Tutti nach. Nach mehreren Wendungen und Soli mündet die Suche in einem vergnüglichen Tänzchen. Mystisch wird es mit „Endangered“. „Crosswinds“ durchbrechen den musikalischen Fluss. Die „Italian Circus Story“ wird mit Breaks, Überraschungen, kurzem Atemanhalten, Hektik und treibenden Beats den Erwartungen an eine Manegenschau gerecht. Mit der Ballade „Back in the Game“ kommt etwas Ruhe auf, bevor „Point of View“ ein begleitendes Grundmotiv mit einer Reihe von Tutti und Soli toppt. Das klingt eher nach dem frühen Vienna Art Orchestra als nach der Thad Jones/Mel Lewis Big Band.

Werner Stiefele, 29.10.2022

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