Die geradezu telepathische Verbindung, die das Berliner Brüderpaar Bernhard und Peter Meyer an E-Bass und E-Gitarre auszeichnet, hat sich inzwischen auch im Geburtsland der improvisierten Musik herumgesprochen: Das weltweit auflagenstärkste Jazzmagazin Down Beat widmete den beiden schon einmal eine ganze Seite und lobte die Geschwister als „tight sibling unit“.
Die Meyers leben ihre innige mehrsaitige Verwandtschaft in mehreren Formationen aus; doch nirgends dürfte sie so viele Funken schlagen wie im Melt Trio, das die beiden 2010 mit dem Schlagzeuger Moritz Baumgärtner gründeten. Keine Ahnung, ob sich in dem Titel ihres vierten Albums „Consumer“ oder in Stücknamen wie „Item 4“ oder „Strategy Song“ eine gewisse Kapitalismuskritik an industrieller Massenware verbirgt – sicher ist nur, dass das Dreiergespann mustergültig auslotet, wie man die Erwartungshaltung des Konsumenten an eine Band in idealtypischer Rock-Besetzung gleichermaßen erfüllen wie unterlaufen kann.
Was mit „Matter“, einer bittersüßen instrumentalen Pop-Nummer beginnt, führt über eckige Odd-time-Grooves mit einem Schuss Vampire-Weekend-Afrobeat („Item 4“) in psychedelischen Zickzacklinien quer durch die Warenregale eines gut sortierten Independent-Plattenladens.
Aus den Elementen von Fusionjazz, Progrock, freien Klangexperimenten und Klassik (eine Komposition trägt den Titel „Britten“, eine andere, „Paul“, trägt Spurenelemente von Bach in sich) erstellt das Trio unberechenbare Einzelanfertigungen. Das kann dann wahlweise wie die Titelmelodie eines Wes-Anderson-Films klingen („Strategy Song“), an einen Besuch auf dem Jahrmarkt mit einem bedrohlich eiernden Riesenrad („Disc On“) erinnern oder sich wie die Aufräumarbeiten in einer Raumstation im Orbit um einen unbekannten Planeten („Elysian Minor“) anhören. Alles in allem: Musik, die ungeachtet des Jazzhintergrundes der Beteiligten auch neugierige Konsumenten aus alternativen Rock-Gefilden anlocken könnte.
Josef Engels, 21.01.2023
Diese CD können Sie kaufen bei:
Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.
Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Der spätbarocke Dichter Barthold Heinrich Brockes (1680–1747) begründete seinen Ruhm durch die 1712 entstandene Passionsdichtung „Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus“. Mit dieser hochemotionalen Schrift war er so erfolgreich, dass gleich 13 zeitgenössische Komponisten diese vertonten, darunter Händel, Keiser, Mattheson und Stölzel. Auch Georg Philipp Telemann lernte den Text 1716 kennen und schrieb in seiner Autobiographie, dass „dessen Poesie von allen […] mehr