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N° 1355
27.04. - 08.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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Enno Poppe

Prozession

Ensemble Nikel, Ensemble Musikfabrik, Enno Poppe

Wergo/Naxos WER74012
(68 Min., 10 & 11/2020)

Gegensätzlicher könnten Anfang und Ende dieses Albums mit zwei Ensemblewerken Enno Poppes nicht sein. Beim maschinengleich sich in Gang setzenden Eröffnungsstück „Fleisch“ zerlegt Poppe jeden Anflug von Rockmusik mit einer surrealen, fast Frank Zappaesken Quirligkeit. Das Hauptstück, die fast 55 Minuten dauernde „Prozession“, glimmt hingegen geradezu in völliger Stille aus. Wenn ein gleißender Tonstrahl sich immer mehr verdünnt, an Intensität abnimmt und sich in irgendeiner anderen Welt verliert.
Aber auch zwischen diesen beiden Anfangs- und Endpunkten passiert selbstverständlich wieder reichlich und Poppe-typisch Unerwartetes. Das hochenergetisch vom Ensemble Nikel hingelegte, dreisätzige „Fleisch“ für Tenorsaxofon, E-Gitarre, Keyboard und Drumset (2017) könnte man als eine Art Rock-Jazz-Dekonstruktion bezeichnen, bei der etwa Gitarrist Yaron Deutsch an die jaulenden Brachial-Breitseiten seines Kollegen Marc Ribot anknüpft, während Antoine Françoise seinem Synthesizer ähnliche Hammondorgel-Retro-Sounds entlockt, wie es Poppe bereits in seinem Stück „Arbeit“ vorgemacht hat.
Aus diesem tumulthaften Geflipper geht es danach mit dem vom Komponisten geleiteten Ensemble Musikfabrik in eine Welt völlig anderer Klangzustände. Und wie der Titel „Prozession“ andeutet, befindet sich das auch mit E-Orgel und reichlich Perkussion besetzte Ensembles auf Entschleunigungskurs. Doch statt Meditation und Spiritualität beherrschen die Geister der etwas anderen Moderne, etwa Edgard Varèse sowie Giacinto Scelsi, diesen riesigen, archaisch anmutenden Organismus. Wobei sich in Poppes spannungsvoll dramatische und dann verflüssigende Klangpalette auch Spuren der amerikanischen Slow-Motion-Kollegen Morton Feldman finden. „Ich will etwas erleben, wenn ich Musik höre.“ So hat Enno Poppe einmal seinen Anspruch an die zeitgenössische Musik formuliert. Genau das garantiert er auch seinen Hörern.

Guido Fischer, 17.06.2023


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