Die in Zürich geborene und in Berlin lebende Sängerin Lucia Cadotsch verfügt über eine abwechslungsreiche Diskografie: Mit der Band Schneeweiss + Rosenrot machte sie einst verschrobenen Pop, im ungewöhnlich besetzten Trio Speak Low widmet sie sich seit 2016 dem Great American Songbook und Verwandtem, in der Formation LIUN + The Science Fiction Orchestra experimentiert sie an der Seite des Saxofonisten Wanja Slavin mit Electronica.
Ihre zehnte Albumveröffentlichung und die erste ihrer neuen Gruppe AKI ist die konsequente Weiterentwicklung all dieser Stränge. Gemeinsam mit den Briten Kit Downes (Klavier und Orgel), Phil Donkin (Bass) und James Maddren (Drums) nimmt die Gesangpoetin Tiefenbohrungen im Grenzbereich irgendwo zwischen Indie-Kunstlied, Avantgarde-Jazz und artifizieller Gedichtvertonung vor.
Kurt Rosenwinkel, auf dessen Heartcore-Label die Aufnahme auch erscheint, lässt bei zwei Stücken seine Gitarre synthesizerhaft singen. Es sind die tageshellsten Momente der Einspielung, deren Spielgeschehen ansonsten in spröden Dämmerzuständen stattfindet. Etwa im manisch-depressiven Fegefeuer zwischen somnambuler Weltverlorenheit und plötzlicher Aufgekratztheit wie im Einstieg „I Won’t“, wo auf Cadotschs vernebelt vorgetragene Strophe ein Hochtempo-Piano-Motiv folgt. Oder in dem spukhaften „Secedas“, das mit seinen Geisterchören und seinem schleichenden Beat auch einem Michael Wollny sehr gefallen dürfte.
Das finstere Herz des Albums ist die einzige Fremdkomposition: Brechts/Weills „Vom ertrunkenen Mädchen“ in seiner englischen Fassung „Ballad Of The Drowned Girl“. Da wird Cadotschs Stimme von Donkins algenhaft fließenden Basslinien umrankt und allmählich in die Tiefe gezogen wie der besungene Frauenkörper. Nichts für allzu sonnige Gemüter!

Josef Engels, 24.06.2023

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