Isata Kanneh-Mason liebt Konzeptalben. Ihre ersten drei Alben trugen Titel wie „Romance“, „Summertime“ oder „Muse“. Ihr neues Album „Childhood Tales“ widmet die 26-jährige Britin Klavierwerken zum Thema „Kindheit“, wobei sie drei populäre Solozyklen von Mozart, Debussy und Schumann mit den selten aufgeführten konzertanten „Variationen über ein Kinderlied“ op. 25 des ungarischen Spätromantikers Ernö Dohnányi kombiniert. Besonderen Reiz erhält die Auswahl dadurch, dass Dohnányi für seinen Zyklus dasselbe Kinderlied als Thema wählte wie schon Mozart 132 Jahre zuvor, nämlich die auch hierzulande bekannte Melodie „Morgen kommt der Weihnachtsmann“. Doch während schon Mozart 1782 keine Kindermusik schrieb, sondern dem Interpreten einiges an Geläufigkeit abverlangte, nutzte der phänomenale Klaviervirtuose Dohnányi das schlichte Thema 1914 zu einer Eruption fingerbrecherischer Brillanz und zu einem durchaus humorvollen Rückblick auf die Schönheit und den Zauber traditioneller musikalischer Formen.
Kanneh-Mason meistert beide Werke mit einer unprätentiösen jugendlichen Frische und rasanten Geradlinigkeit, und verzichtet auf jede Art von Gefühligkeit und Theatralik. Beim Dohnányi wünschte man sich gelegentlich ein wenig mehr schwelgerischen Zauber, auch von den recht robust aufspielenden Liverpooler Philharmonikern, aber die Solistin hat doch ein sicheres Gefühl für die große emotionale Linie. Dies gilt auch für Debussys „Children’s Corner“ und für Schumanns „Kinderszenen“, deren zarte Innerlichkeit sie ganz schlicht und feinfühlig in Szene setzt, und auch hier auf jeglichen Gefühlsballast verzichtet. Bleibt zu hoffen, dass die hochbegabte und schon sehr erfolgreiche junge Pianistin ihre Unbekümmertheit noch lange behält.

Attila Csampai, 24.06.2023

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