Eine zündende Programm-Idee ist mitunter die halbe Miete auf dem Weg zu einer erfolgreichen Alben-Produktion. Im vorliegenden Fall kann man uneingeschränkt von einem solchen sprechen: Es erklingt ein bunter Strauß europäischer Liedkompositionen, die irgendwie mit dem Thema „Paradies“ verknüpft sind oder sich zumindest assoziativ mit dem Garten Eden in Verbindung bringen lassen, in Gruppen gegliedert durch locker eingestreute (englische) Bibelzitate aus der Schöpfungsgeschichte (Adam, Eva, Schlange etc.). Hinzu kommt natürlich noch der Gag (auf den nicht eigens verwiesen wird), dass der Sänger und Programm-Schöpfer ausgerechnet „Appl“ heißt.
Der Vorteil einer themenbezogen konstruierten Liederfolge ist, dass sie in jeder Hinsicht vielfältig ausfallen kann: Francis Poulenc steht neben Kurt Weill, Arnold Schönberg neben Leonello Casucci, Fanny Hensel-Mendelssohn gar neben Lothar Brühne – und alle haben sich inhaltlich irgendwie etwas zu sagen. Wirklich ein famoser Streifzug durchs Liedrepertoire!
Benjamin Appl und sein Begleiter James Baillieu gestalten diesen Streifzug hochsensibel und nuancenreich, sehr textaffin. Der Bariton bewegt sich mit seiner gepflegt geführten, wohlklingenden Stimme über weite Strecken in einem Mezzavoce-Modus, der sehr persönlich, fast intim herüberkommt, gelegentlich aber die Sorge aufkeimen lässt, ob das prächtige Material nicht einseitig überlastet wird. Dort, wo dann kraftvollerer Zugriff erwartet wird – etwa in Schumanns „Frühlingsfahrt“ –, stellt sich eine Brustregister-gestützte volle Kernigkeit, um die man das gesangliche Spektrum gern erweitert erleben würde, jedenfalls nicht wirklich ein.

Michael Wersin, 16.09.2023

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